AMNOG-Report 2018: Neue Krebsmedikamente weiter auf dem Vormarsch
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Die Anzahl neu zugelassener Krebsmedikamente ist im Jahr 2017 erneut stark gestiegen. Das geht aus dem aktuellen AMNOG-Report der DAK-Gesundheit hervor. Über die Hälfte der dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Bewertung vorgelegten Wirkstoffe stammt aus dem Bereich der Onkologika, 68 Prozent davon konnte zudem ein konkreter Zusatznutzen bescheinigt werden. Lesen Sie mehr in unserer Pressemeldung.
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AMNOG-Report 2018: Neue Krebsmedikamente weiter auf dem Vormarsch
DAK-Gesundheit fordert von Pharmaherstellern mehr Transparenz bei Zusatznutzen
Die Anzahl neu zugelassener Krebsmedikamente ist im Jahr 2017 erneut stark gestiegen. Das geht aus dem aktuellen AMNOG-Report der DAK-Gesundheit hervor. Demnach stammen über die Hälfte der dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Bewertung vorgelegten Wirkstoffe aus dem Bereich der Onkologika - mit einem Anstieg von 30 auf fast 60 Prozent innerhalb der letzten vier Jahre. Insgesamt 68 Prozent davon konnte ein konkreter Zusatznutzen bescheinigt werden. Bei vielen neuen Arzneistoffen lässt sich dieser Zusatznutzen für die Patienten jedoch nur schwer ermitteln, da die Pharmahersteller oft nur unzureichende Daten für die frühe Nutzenbewertung liefern, kritisieren die Forscher der Universität Bielefeld, die den AMNOG-Report für die DAK-Gesundheit erstellen.
Bis Ende 2017 wurden insgesamt 186 neue Wirkstoffe in 277 Verfahren durch den G-BA auf einen Zusatznutzen hin geprüft. Davon waren 57 Prozent neue Wirkstoffe zur Behandlung von Krebserkrankungen - ein Wert, der den Aufwärtstrend der vergangenen Jahre im Bereich der Krebsmedikamente fortsetzt. So lag der Anteil der Verfahren in diesem Bereich in den Jahren 2014 und 2015 noch bei gut 30 Prozent, während er 2016 schon auf 45 Prozent angestiegen war. Das Problem laut AMNOG-Report der DAK-Gesundheit: Die Bewertung des therapeutischen Mehrwertes dieser Arzneimittel erfolgt unmittelbar nach Markteintritt und in der Regel nur einmalig. Die Bewertung zu diesem frühen Zeitpunkt erfolgt dann häufig auf Basis weniger oder sehr unsicherer Daten, was teilweise zu unzureichenden Ergebnissen führt. "Neue Wirkstoffe sind unabdingbar für die Verbesserung der medizinischen Versorgung. Doch nicht jedes neue Medikament hält auch, was es verspricht", sagt Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstandes der DAK-Gesundheit. "Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass die Pharmahersteller alle nötigen Informationen zur Verfügung stellen. Insbesondere mehr und belastbarere Daten zur Lebensqualität wünschen wir uns."
Problematisch ist vor allem die Feststellung, dass vielfach eine fehlerhafte Datengrundlage eine umfassende Nutzenbewertung unmöglich macht. Bei 41 Prozent der Fälle hat die mangelhafte Daten- oder Studiengrundlage den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu einem negativen Urteil bewogen - und nicht etwa ein widerlegter potenzieller Zusatznutzen. Bei 39 Prozent lagen zwar Daten aus Studien der Pharmahersteller vor, diese waren aber nach G-BA-Sicht nicht geeignet für einen Zusatznutzennachweis. Der AMNOG-Report zeigt außerdem, dass in 76 Prozent aller Verfahren zwar Daten zur Lebensqualität vorhanden sind, diese jedoch nur in knapp jedem sechsten Verfahren zum Zusatznutzennachweis geeignet sind. Diese Informationen sind jedoch vor allem aus Patientensicht besonders wichtig bei der Bewertung von Krebsmedikamenten: Oft ist aufgrund der fehlenden Daten dann nämlich nur die erwartbare Lebensverlängerung Grundlage für eine Nutzenbewertung, nicht aber die konkrete Lebensqualität in dieser Phase.
Insgesamt bleibt der Anteil der Arzneimittel, denen ein Zusatznutzen attestiert wird, im Vergleich zu den Vorjahren stabil. Gleiches gilt auch für den Verordnungsanstieg der Arzneimittel nach deren positiver Bewertung. Dieser beträgt im Jahr 2017 durchschnittlich 13,4 Prozent und liegt dabei in allen Zusatznutzenkategorien auf annähernd gleichem Niveau.
Reicht die Datenlage zum Nutzennachweis nicht aus, kann der G-BA einen Beschluss befristen und somit zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute Bewertung durchführen. 20 Mal ist eine solche Bewertung bis Ende 2017 durchgeführt worden, in zwei Drittel aller Fälle ergab sich dabei kein besseres Ergebnis als im Rahmen der Erstbewertung. In fünf Fällen wertete der G-BA den zuvor festgestellten Zusatznutzen sogar ab. Von allen neu zugelassenen Medikamenten wurden im vergangenen Jahr letztendlich 59 Prozent mit einem Zusatznutzen belegt. Bei neuen Onkologika lag der Anteil mit Zusatznutzen zwar höher (68 Prozent), jedoch auch unterhalb des Niveaus der Vorjahre (2011-2016: 78 Prozent). Für Orphan Drugs gilt ein Zusatznutzen indes immer als belegt. Erst nach Überschreiten einer Umsatzschwelle können diese uneingeschränkt bewertet werden - zuletzt immer häufiger mit einem negativen Ergebnis. "Die Privilegierung bestimmter Orphan Drugs ist vor diesem Hintergrund zu überdenken", sagt Prof. Dr. Wolfgang Greiner, Gesundheitsökonom an der Universität Bielefeld und Autor des AMNOG-Reports 2018. "Aus unserer Sicht sollte für Medikamente zur Behandlung seltener Erkrankungen dann eine vollständige Nutzenbewertung durchgeführt werden, wenn Therapiealternativen zur Verfügung stehen." Für 55 Prozent aller Orphan Drugs wäre unter diesen Bedingungen bislang eine Nutzenbewertung möglich gewesen.
Reformbedarf zeigt der AMNOG-Report auch im Preisbildungsverfahren nach Abschluss der Frühbewertung. Bei Krebsmedikamenten wird besonders die Problematik des Mischpreises deutlich. So schwanken hier die Zusatznutzen für einzelne Krebsindikationen besonders drastisch. Das wirkt sich auch auf die Preisgestaltung der einzelnen Wirkstoffe aus. Während von einzelnen Wirkstoffen besonders viele Patienten profitieren können, ist es bei anderen nur eine sehr begrenzte Anzahl. Für fast ein Drittel aller bewerteten Wirkstoffe musste daher ein Mischpreis vereinbart werden. Dass es hier noch großen Klärungs- und Anpassungsbedarf gibt, wird auch im AMNOG-Bericht 2018 deutlich. "Der Mischpreis in der gegenwärtigen Verfahrenspraxis ist eine Behelfs- beziehungsweise Kompromisslösung aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Systematik", erklärt Professor Dr. Wolfgang Greiner. "Eine zeitnahe Lösung der Mischpreisproblematik ist auch deshalb erforderlich, weil knapp 57 Prozent aller verordneten neuen Arzneimittel einen solchen Mischpreis haben und damit potentiell zur Disposition stehen. Eine Weiterentwicklung des 'klassischen' Mischpreises über Preis-Mengen-Vereinbarungen könnte hier eine vergleichsweise einfache und transaktionskostenarme Lösung sein."
Handlungsbedarf sehen die Forscher ebenfalls beim Arztinformationssystem, dessen Einführung beschlossen, aber noch nicht konkret ist. Analysen des AMNOG-Reportes zeigen, dass ein Arzt im Durchschnitt knapp vier verschiedene neue Arzneimittel innerhalb eines Jahres verschreibt. Bei Fachärzten sind es im Durchschnitt sogar weniger als drei. "Wir wollen die Versorgung der Patienten verbessern. Das aber geht nur, wenn die Ärzte auch alle nötigen Informationen bekommen, die sie für eine Therapieentscheidung brauchen", sagt Andreas Storm. "Das Arztinformationssystem muss deshalb genau das tun, was es im Namen trägt: Den Arzt informieren - gezielt und objektiv."
Im AMNOG-Report der DAK-Gesundheit werden 186 Nutzenbewertungsverfahren analysiert. Das Ergebnis: In 43 Prozent der Verfahren bescheinigt der G-BA keinen Zusatznutzen. Bei 57 Prozent konnte hingegen in wenigstens einem Teilanwendungsgebiet ein Zusatznutzen belegt werden. Letzteres ist aufgrund eines zu vereinbarenden Mischpreises politisch besonders umstritten. Der DAK-AMNOG-Report legt hierzu erstmals detaillierte Versorgungsanalysen vor.
Die DAK-Gesundheit ist eine der größten gesetzlichen Kassen in Deutschland und versichert mehr als 5,8 Millionen Menschen. 2016 gab sie 3,6 Milliarden Euro für Arzneimittel aus - das entspricht 590 Euro pro Versichertem. Nach den Ausgaben für Krankenhausbehandlungen waren Arzneimittel damit der zweitgrößte Ausgabenblock.
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