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Pflegeversicherung in der Krise: Aktuelle Reformpläne greifen zu kurz

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Die große Mehrheit der Deutschen erwartet deutlich größere Anstrengungen, um die Pflegeversicherung aus der Krise zu führen. Das geht aus einer Forsa-Befragung im Auftrag der DAK-Gesundheit hervor. Gemeinsam mit dem Deutschen Landkreistag und der Diakonie Deutschland fordert die drittgrößte deutsche Krankenkasse weitreichende Änderungen an dem vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Entwurf eines Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes (PUEG).

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Pflegeversicherung in der Krise: Aktuelle Reformpläne greifen zu kurz

  • DAK-Gesundheit, Diakonie Deutschland und Deutscher Landkreistag präsentieren aktuelle Forsa-Befragung
  • Drei Viertel der Befragten erwarten Stabilisierung der Pflegeversicherung aus Steuern
  • 96 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Unterstützung für pflegende Angehörige
  • Große Mehrheit (85 Prozent) findet, die Pflegeversicherung sollte weiterhin alle wesentlichen Pflegekosten übernehmen

Die große Mehrheit der Deutschen erwartet deutlich größere Anstrengungen, um die Pflegeversicherung aus der Krise zu führen. Das geht aus einer Forsa-Befragung im Auftrag der DAK-Gesundheit hervor. Gemeinsam mit dem Deutschen Landkreistag und der Diakonie Deutschland fordert die drittgrößte deutsche Krankenkasse weitreichende Änderungen an dem vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Entwurf eines Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes (PUEG).

„Der Referentenentwurf sieht trotz massiver Kostensteigerungen für Pflegebedürftige und Heime keinen zusätzlichen Cent aus Bundesmitteln vor. Dabei steht die Pflegeversicherung an einem Scheideweg“, sagt DAK-Chef Andreas Storm. Die Menschen wünschen sich laut Forsa-Befragung eine faire Lastenverteilung, die Bundesregierung setzt dagegen einseitig auf Beitragserhöhungen. „Wenn Minister Lauterbach keine Steuermittel zur Stabilisierung der Pflegeversicherung einsetzt, ist die Pflegereform zum Scheitern verurteilt“, so Storm.

Auch der Deutsche Landkreistag verfolgt die Entwicklung mit Sorge. „Der Gesetzentwurf enthält lediglich lange überfällige Reparaturmaßnahmen“, sagt Dr. Irene Vorholz, Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers. „Diese sind zwar für sich genommen richtig, werden aber nur zu kurzzeitigen und punktuellen Entlastungen führen. Der große Wurf, den wir eigentlich brauchen, ist das nicht. Es bedarf einer grundlegenden Reform, um die Pflege zukunftsfest zu machen. Das betrifft sowohl die Finanzierung als auch das erforderliche Personal und die Unterstützung der häuslichen Pflege. Steuert die Politik nicht entschlossen gegen, haben wir in wenigen Jahren den Pflegenotstand.“

Die Diakonie Deutschland sieht erheblichen Verbesserungsbedarf am vorliegenden Gesetzesentwurf. Vor allem die Finanzierung steht auf einem brüchigen Fundament. Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Die Ergebnisse der Forsa-Befragung müssen ernstgenommen und eine grundlegende Pflegereform auf den Weg gebracht werden. Die große Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich eine starke solidarische Pflegeversicherung, die die wesentlichen Pflegekosten übernimmt. Alle Leistungen der Pflegeversicherung müssen entsprechend der Kostensteigerungen der letzten Jahre angepasst werden. Es darf nicht zu einer noch stärkeren Entwertung der Pflegeleistungen kommen.“ Zur Finanzierung seien ergänzend Steuermittel einzusetzen, insbesondere zur Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen. „Dazu zählen die Ausbildungskosten in der Pflege und die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige, die ihre Erwerbstätigkeit einschränken. Die Zeit drängt: Nötig ist eine grundlegende Pflegereform. Ansonsten steht die Langzeitpflege vor dem Kollaps“, so Loheide.

Die Pflegeversicherung in Deutschland befindet sich in einer großen Krise. Enorme Kostensteigerungen in der stationären wie in der ambulanten Pflege können immer weniger gedeckt werden, so dass die Belastungen der Pflegebedürftigen und der kommunalen Sozialhilfe weiter steigen. Zugleich nimmt die Finanzlücke in der Pflegeversicherung zu. Das führt zu einem weiteren Anstieg der Beiträge. Der GKV-Spitzenverband warnte bereits: „Aufgrund der offensichtlich innerhalb der Regierungskoalition bestehenden gegenläufigen Prioritätensetzungen entsteht eine Situation, in der ein ganzer Sozialversicherungszweig in Bezug auf die finanzielle Ausgestaltung zusehends nicht mehr angemessen seinem Auftrag zur Absicherung eines zentralen Lebensrisikos (...) nachkommen kann.“

Vor diesem Hintergrund hat Forsa im Auftrag der DAK-Gesundheit repräsentativ erfragt, wie die Deutschen die aktuelle Pflegepolitik und ihre eigene Absicherung für den Pflegefall beurteilen. Die Studie kommt zu eindeutigen Ergebnissen: Die Bürgerinnen und Bürger sehen kritisch auf die Pflegeversicherung in Deutschland. Knapp zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten sind der Ansicht, dass die Pflegeversicherung im Allgemeinen eher (52 Prozent) oder sehr (13 Prozent) schlecht für den Pflegefall absichert.

Auch ihre persönliche Pflegevorsorge sehen sie mit Sorge: Eine Mehrheit von 54 Prozent der Befragten macht sich große oder sogar sehr große Sorgen für den Fall, dass sie selbst einmal pflegebedürftig werden. Besonders groß sind diese persönlichen Sorgen im Osten: Hier sind es fast zwei Drittel (64 Prozent).

Dass pflegende Angehörige finanziell stärker unterstützt werden, halten 96 Prozent der Befragten für wichtig oder sehr wichtig. Das sehen vor allem Frauen so, die in Deutschland wesentlich stärker in die Angehörigenpflege involviert sind als Männer. Die vorgesehene Erhöhung des Pflegegelds um fünf Prozent im Jahr 2024 finden die Befragten vor diesem Hintergrund nicht angemessen: Die große Mehrheit (79 Prozent) der Bürgerinnen und Bürger empfindet die Erhöhung als zu niedrig.

Die aktuellen Reformpläne für die Pflegeversicherung gehen an den Realitäten vorbei, kritisiert vor diesem Hintergrund der DAK-Vorstandschef Storm. „Das zeigt die große Kritik in allen Altersgruppen. Wenn Minister Lauterbach keine Steuermittel zur Stabilisierung der Pflegeversicherung einsetzt, ist diese Pflegereform von vornhinein zum Scheitern verurteilt“, so Storm. Er warnt: „Viele Menschen sind selbst pflegebedürftig oder pflegen ihre Angehörigen, sie sehen die Probleme jeden Tag. Und auch allen anderen ist mit Blick auf ihre eigene Pflegevorsorge bang“, so Storm. „Insbesondere bei der Erhöhung des Pflegegelds muss die Politik nachbessern. In nahezu allen anderen Bereichen kommt es angesichts der massiven Preissteigerungen aktuell zu Lohnerhöhungen. Aber das Pflegegeld, das seit 2017 nicht mehr angepasst worden ist, soll nur um fünf Prozent erhöht werden – und das erst 2024. Die pflegenden Angehörigen, Deutschlands größter Pflegedienst, finden das völlig unzureichend, können aber nichts dagegen unternehmen. Denn pflegende Angehörige können nicht für die Interessen der Pflegebedürftigen streiken.“

Die Diakonie Deutschland sieht in der erstmals seit 2017 vorgesehene Erhöhung des Pflegegeldes um fünf Prozent eine fehlende Wertschätzung der enormen Pflegeleistungen von Angehörigen. „Wenn wir weiterhin wollen, dass Angehörige in großem Maße Pflegeaufgaben übernehmen, ist eine deutliche Erhöhung des Pflegegeldes und die finanzielle Absicherung der Pflegenden erforderlich. Außerdem muss ein begleitendes und entlastendes Pflegesystem weiter ausgebaut werden“, stellt Loheide fest.

Ebenso deutlich zu wenig ist die in der Pflegereform (PUEG) vorgesehene geringfügige Erhöhung der Zuschüsse bei den Eigenanteilen in der stationären Pflege. Sie trägt nicht einmal der Preisentwicklung Rechnung. Eine sehr große Mehrheit (83 Prozent) der Befragten ist der Ansicht, dass Menschen, die ihr Leben lang Beiträge an die Pflegeversicherung gezahlt haben, nicht zu Sozialfällen werden sollen. Der Deutschen Landkreistag erinnert: „Die Pflegeversicherung war eingeführt worden, um die Sozialhilfeabhängigkeit vieler Pflegebedürftiger zu beenden. Mittlerweile bezieht wieder über ein Drittel der Heimbewohner Sozialhilfe. Die Kosten für die kommunale Sozialhilfe steigen von Jahr zu Jahr. Auch hier muss deutlich nachgelegt werden“, kritisiert Vorholz.

Bei den Beiträgen für die Pflegeversicherung sieht die Pflegereform (PUEG) zur Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum 1. Juli 2023 eine Entlastung für Versicherte vor, die mehrere Kinder haben. Dazu sollen die Beiträge für Kinderlose erheblich steigen. Eine Mehrheit von 54 Prozent der Befragten findet dagegen, dass die Entlastung der Familien aus Steuermitteln erfolgen sollte. Insbesondere Jüngere sehen das so.

Dabei setzt eine große Mehrheit weiterhin auf ein umlagefinanziertes Solidarsystem: Die Aussage „Jeder Mensch hat hier eine Eigenverantwortung und sollte durch private Zusatzversicherungen selbst für den Pflegefall vorsorgen“ lehnen 70 Prozent der Befragten ab. „Private Vorsorge kann einen Beitrag leisten, aber sie ist nicht der Schlüssel zur Lösung der Finanzierungsprobleme der Pflegeversicherung“, sagt DAK-Chef Storm.

Drei Viertel (75 Prozent) der Befragten sind vor diesem Hintergrund der Meinung, dass die zusätzlichen Kosten zukünftig (auch) durch Zuschüsse aus Steuern finanziert werden sollten. Die derzeit vorgesehene Lösung, wonach lediglich die Beiträge erhöht werden sollen, befürwortet nur ein Fünftel (22 Prozent), eine Reduzierung der Leistungen will nahezu niemand (4 Prozent). Diese deutliche Positionierung zeigt sich über alle Parteipräferenzen hinweg. 85 Prozent der Deutschen meinen, dass die gesetzliche Pflegeversicherung weiterhin alle wesentlichen Pflegekosten übernehmen sollte.

Im Rahmen der Untersuchung hat Forsa 1.004 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren online befragt. Die Erhebung wurde vom 10. bis 14. März 2023 durchgeführt.

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