Prekäre Lebenslagen, Familiennachzug, Europa
Köln (ots)
Der Bundeshauptausschuss des Kolpingwerkes Deutschland erklärt: Am Umgang mit diesen Themen werden wir die neue Bundesregierung messen!
1. Prekäre Lebenslagen
Deutschland geht es gut. Es sind so viel Menschen in Beschäftigung wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Die Steuereinnahmen sprudeln auf Rekordhöhe. Die wirtschaftliche Wachstumsrate zeugt von einer positiven ökonomischen Entwicklung.
Deutschland geht es gut. Für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung ist diese Feststellung jedoch aufgrund ihrer Situation eher ein Hohn. Dazu zählen Menschen, die aus dem prekären Beschäftigungsmarkt und der Erwerbslosigkeit nicht herauskommen. Sie partizipieren nicht mehr am volkswirtschaftlichen Fortschritt, fühlen sich ausgegrenzt und gehen oftmals auf Distanz zu jenen, die sie für ihre frustrierende, wirtschaftlich prekäre und in der Konsequenz auch als Ausgrenzung erlebte Situation mitverantwortlich machen.
Das Kolpingwerk Deutschland erwartet von der neuen Bundesregierung, dass sie diesen Menschen besondere Aufmerksamkeit schenkt. Politischen Entscheidungen müssen auf ihre Wirkungen auf die Angehörigen im unteren wirtschaftlichen und sozialkulturellen Segment hin überprüft werden.
Insbesondere Langzeitarbeitslosen müssen neben den bisherigen Angeboten zur Ausbildung und Qualifizierung weitere Beschäftigungsmöglichkeiten durch die zusätzliche Schaffung öffentlich geförderter Beschäftigung angeboten werden. Träger von Maßnahmen der beruflichen Integration müssen weiterhin mit entsprechend notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet und bürokratische Hürden abgebaut werden. Die Bundesagentur für Arbeit ist an diesem Ziel auszurichten.
Menschen, die sich abgehängt fühlen und nicht mehr an soziokulturellen Gemeinschaften teilnehmen können, werden sich auf Dauer von unserem gesellschaftlichen System distanzieren. Dieses muss eine sich dem Gemeinwohl verpflichtende Bundesregierung verhindern. Nicht zuletzt auch deshalb, da über kurz oder lang diese Menschen über den Erfolg oder Misserfolg unserer Demokratie mitentscheiden.
2. Familiennachzug
Deutschland geht es gut. Das trifft aber nicht auf alle Menschen zu. Viele derjenigen, die - verfolgt und bedroht durch Krieg und Gewalt - nach Deutschland geflohen sind, sind mit ihren Gedanken bei ihrer Familie, die sie in ihrer Heimat zurücklassen mussten. Sie möchten gemeinsam als Familie in Deutschland leben und sich in die Gesellschaft integrieren.
Eltern und ihre Kinder gehören zusammen. Eine Aussetzung des Familiennachzugs darf es deshalb nicht geben. Das Kolpingwerk Deutschland fordert daher die neue Bundesregierung auf, den Familiennachzug nicht willkürlich einzuschränken und Eltern und ihren Kindern Schutz zu gewähren. Ein parteipolitisches Taktieren im Ringen um ein für einzelne Parteien positives Ergebnis der Koalitionsverhandlungen darf nicht auf dem Rücken von Familien ausgetragen werden, deren Angehörige in großer Not nach Deutschland geflohen sind.
In diesem Zusammenhang wird zugleich auf eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus hingewiesen.
3. Europa
Deutschland geht es gut. Damit dies so bleibt, brauchen wir ein starkes Europa. Angesichts der aktuellen Herausforderungen und Problemlagen ist der Zusammenhalt Europas in einem noch nie dagewesenen Maß bedroht. Der Prozess der Europäischen Integration kann nur gelingen, wenn Europa nicht nur im Sinne einer Wirtschaftsunion, sondern auch als politische Union zusammenwächst.
Auf die globalen Herausforderungen unserer Zeit muss Europa mit einer Stimme antworten. Dazu gehören eine verstärkte gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie eine gemeinsam organisierte Entwicklungspolitik, auch um Fluchtursachen einzudämmen und zu bekämpfen. Was die europaweite Verteilung von Geflüchteten betrifft, so fordern wir dazu auf, den Weg, wenn auch zäher Verhandlungen, erneut zu beschreiten. Es muss jede Gelegenheit genutzt werden, um mit den europäischen Partnern eine gemeinsame Linie bei der Unterbringung und Verteilung Geflüchteter zu finden. Denn hier geht es um Menschen!
Eine politische Union bedarf einer verbindlichen Abstimmung von Fiskal-, Wirtschafts- und Sozialpolitik zwischen den Mitgliedsstaaten. Neben der konsequenten Einhaltung der Stabilitätskriterien kann Europa als Raum der Solidarität nur gelingen, wenn schrittweise an einer Anhebung von Sozialstandards gearbeitet wird. Ziel einer Sozialunion darf kein Sozialdumping sein. Deutschland muss sich dafür einsetzen, dass die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa abnehmen. Nur so wird die europäische Union nicht nur als Wirtschafts-, sondern auch im Sinne einer Werte- und Sozialunion gelingen.
Die Europäische Kommission darf nicht auf die Rolle als Hüterin der Verträge beschränkt werden, sondern muss, wo Probleme auf europäischer Ebene - unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips - am besten gelöst werden können, Gestalterin politischer Prozesse sein. Wir fordern die künftige Bundesregierung auf, die verschiedenen Reformvorschläge aus der Europäischen Kommission und der französischen Regierung ernsthaft zu prüfen und im aktiven Dialog mit den Mitgliedsstaaten und Institutionen der Europäischen Union den Weg mutiger Reformen zu beschreiten.
Erklärung des Bundehauptausschusses des Kolpingwerkes Deutschland am 12. November 2017 in Stuttgart
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