Berliner Morgenpost: Das neue Schloss ist ein großer Wurf - Kommentar
Berlin (ots)
Eines der größten Kulturprojekte des Landes ist nun zum Greifen nahe. Mit der gestrigen Wettbewerbs-Entscheidung hat das Projekt Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses die letzte große Hürde genommen. Der Italiener Franco Stella ist ein würdiger Sieger, sein Entwurf zeigt großen Respekt vor den Barockfassaden Schlüters, er rekonstruiert die historische Kuppel und ergänzt in sensibler Weise eine neue Fassade zur Spree und die vierte Seite des Schlüterhofes. Dieses Ergebnis, aber auch die weiteren prämierten Entwürfe vieler Architekten aus Berlin widerlegen glanzvoll die Behauptung, man könne mit den Vorgaben der barocken Fassaden keine gute Architektur zustande bringen. Das einstimmige Votum der Jury spricht eine klare Sprache. Diese Entscheidung ist ein weiterer Sieg gegen all die Widerstände, die sich dem Projekt immer wieder in den Weg stellten. Die Gegner eines Wiederaufbaus haben bis wenige Tage vor der Juryentscheidung nichts unversucht gelassen, das Projekt doch noch zu torpedieren. Und vermutlich werden sie auch nach diesem Votum keine Ruhe geben und das Vorhaben weiter attackieren. So wird immer wieder behauptet, der Schlosswiederaufbau habe kaum Unterstützung in der Bevölkerung. Dabei lag die Zustimmung in Berlin laut Umfragen zuletzt bei 60 Prozent. Es handelt sich auch keineswegs um ein rückwärtsgewandtes Projekt grauhaariger Nostalgiker, denn wie die gleichen Umfragen zeigen, freuen sich von allen Altersgruppen am meisten die 18- bis 24-Jährigen auf das Schloss. Und das Konzept, hier der Museumsinsel ein Schaufenster der Weltkulturen gegenüberzustellen, ist alles andere als rückwärtsgewandt. Es hat längst das Interesse von Museumsleuten aus aller Welt geweckt. Die Schlossgegner haben schließlich immer wieder versucht, die Reputation des unermüdlichen Schlossförderers Wilhelm von Boddien zu beschädigen. Denn der Hamburger Kaufmann war die entscheidende Persönlichkeit in der jahrzehntelangen Schlossdebatte. Sein beispielloses Engagement und die Arbeit seines Vereins, der jüngst das DZI-Spendensiegel erhielt, verdient Vertrauen und jede Unterstützung. Es bleibt eine große Herausforderung an die Bürger, die 80 Millionen Euro an Spenden für die Rekonstruktion der Barockfassaden zusammenzubekommen. Aber die bisher gesammelten 17 Millionen Euro sind viel mehr, als für die Dresdner Frauenkirche bei deren Baubeginn gesammelt waren. Die moderne Architektur hatte ihre Chance an diesem Ort. Aber es ist ihr in anderthalb Jahrzehnten nicht gelungen, auch nur einen einzigen Entwurf in zeitgenössischer Architektur zustande zu bekommen, der Geist und Fantasie des Publikums genauso beflügelt hätte wie die Vision der schlüterschen Pracht im wiederhergestellten Herzen Berlins. Nach dem kraftvollen Votum der Jury besteht nun die Chance, dass die Grabenkämpfe der letzten Jahre ein Ende haben. Alle Beteiligten sollten ihre Kräfte jetzt in die Ausarbeitung des Siegerentwurfs stecken.
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