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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Ein Wegbereiter des schwarzen Amerika - Leitartikel

Berlin (ots)

Die ganze Welt tanzte zu seiner Musik, die ganze
Welt erregte sich an seinen Prozessen, und nun erklärt die ganze 
Welt, warum Michael Jackson starb, womöglich freiwillig. Eine Zeit 
lang war er der größte Popstar der Welt - und bis zuletzt wohl der 
öffentlichste Mensch der vergangenen Jahrzehnte. Jeder meinte, ihn 
erklären und bewerten zu können.
Gut möglich aber, dass das Phänomen Michael Jackson gar nicht zu 
verstehen ist. Vielleicht war dieses Vollzeitbühnenwesen nicht mehr 
als eine hauchdünne Hülle, eine flüchtige Leinwand, auf die das 
Publikum und vor allem er selbst Wünsche, Ängste und Weltsichten 
projizierten. Vielleicht muss ein Mensch, der von und für die 
Öffentlichkeit lebt, innerlich so gut wie leer sein.
Das globale Greinen um Jacksons Tod passt zur Flüchtigkeit seines 
Lebens. Eben noch twitterte die Welt über den Iran, jetzt ein paar 
Tage zu Jacko. Nächste Woche aber wird die globale Welle kollektiver,
folgenloser Instant-Betroffenheit schon weitergeschwappt sein. Der 
King of Pop war eben auch Jedermanns King.
Wie viele Künstler war Michael Jackson ein Exzentriker, wenn auch ein
monströser, ein Mensch, der von sozialen Normen abwich. Von Kindheit 
an wurde er gedrillt, das Anderssein zu perfektionieren. Erst Barry 
Gordy, dann Quincy Jones waren die Musikgenies, die ihm in den 
Pop-Olymp verhalfen - und auch zum Ausbruch aus dem Getto rein 
schwarzer Musik und Popularität. So hat sich Michael Jackson gegen 
den Lauf der Welt gestemmt, gegen das Schicksal, gegen alles, was 
Durchschnittsmenschen unabänderlich erscheint. Er wollte eine andere 
Hautfarbe, ein anderes Gesicht, sich bis in alle Ewigkeit tiefkühlen 
lassen, Kind bleiben, unschuldig, einfach, leicht, ein zeitloses 
Märchenleben führen auf seiner Spielzeugranch. Ob er Kinder 
missbraucht hat oder vor allem ihre Nähe suchte, um ein paar 
angstfreie Momente zu erleben, wird wohl nie geklärt werden.
Michael Jackson hat alle Facetten des amerikanischen Mythen-Arsenals 
durchlebt, größte Höhen, gruseligste Tiefen. Sein Aufstieg stand für 
den Traum, dass jeder es bis nach oben schaffen kann, der hart 
arbeitet und an sich glaubt. Daran glaubt dieses Land bis heute. 
Jacksons Niedergang, markiert durch zuletzt eher kümmerliche 
CD-Verkäufe und schwer durchschaubare Missbrauchsprozesse, 
repräsentiert wiederum ein bigottes, inquisitorisches Amerika.
Michael Jackson war weit mehr als ein begnadeter Tänzer, Musiker und 
Entertainer. Alles, was derzeit in den USA durch Obama und 
Finanzkrise auf dem Prüfstand steht, hat Michael Jackson gleichsam 
als gesellschaftlicher Pionier durchlebt: Rassenfrage, Fan-Hysterie, 
Maßlosigkeit, Ruhm, Trug und am Ende grenzenlose Einsamkeit. Wie 
Martin Luther King, O.J. Simpson oder Tupac Shakur gehörte auch 
Jackson zu jenen afroamerikanischen Grenzgängern, die Aufregung 
auslösten, aber auch vielfältige gesellschaftliche Debatten, die die 
relative Unaufgeregtheit um die Präsidentschaft Obamas erst möglich 
gemacht haben.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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