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Berliner Morgenpost: Gipfel ohne Weitblick, G8 ohne Zukunft - Kommentar

Berlin (ots)

Jetzt sitzen sie in den Ruinen von L'Aquila und
ahnen, dass es auch um sie geschehen ist. Ein Weltwirtschaftsgipfel, 
der ohne China und Indien und noch ein paar andere als 
gleichberechtigte Partner auszukommen glaubt, hat diesen Titel nicht 
verdient, ist bloße Reminiszenz, Erinnerung an alte Zeiten. G8, das 
von Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing Mitte der 70er-Jahre 
ins Leben gerufene Elitetreffen der Nordhalbkugel, hat seine Zukunft 
hinter sich. Und das - darf man, die Weltwirtschaftskrise vor Augen, 
hinzufügen - ist gut so.
G8 hat versagt. Wo, wenn nicht hier, hätten, vielleicht sogar 
frühzeitig, Regeln, Leitplanken für den schließlich außer Rand und 
Band geratenen Finanzmarkt zumindest beraten werden können. Wo, wenn 
nicht hier, hätten mahnende Worte, die es ja gab, auch vor dem 
Zusammenbruch der Lehman-Bank, Aufmerksamkeit bekommen müssen. Wo, 
wenn nicht hier, hätte man wenigstens mal nachdenken können über jene
Entwicklungen, die uns vor bald einem Jahr so heftig auf die Füße 
gefallen sind. Hier, bei der Gruppe der sieben bis acht 
Wirtschaftskraftprotze, hätte man ja doch eine gewisse Expertise 
vermuten können. Stattdessen saß man noch vor zwei Jahren recht 
bequem im Strandkorb von Heiligendamm und ließ es sich ziemlich gut 
gehen. Man trank ja offenbar auch so einiges. Und selbst im 
vergangenen Jahr, beim Gipfel im japanischen Toyako, findet sich 
unter dem Tagesordnungspunkt Wirtschaftspolitik das blanke Nichts. 
Weltwirtschaftstal.
Na, ja. Wir Beobachter waren ja auch nicht schlauer damals. Wir 
hatten ja auch Ohren und Augen und haben trotzdem nicht allzu lange 
gefragt nach diesen merkwürdigen Finanzschneebällen, die da über die 
Erde gerollt wurden. Soll man da dem frisch gewählten Herrn Sarkozy 
Vorwürfe machen, der in Heiligendamm ganz nebenbei auch noch eine 
Ehekrise im Endstadium aufzulösen hatte. Also: Vorhang.
Wir schauen nach vorn, überrascht, und sehen ausgerechnet eine in 
weiter Vergangenheit wurzelnde Instanz, die plötzlich antreibt und 
fordert. Der Papst fordert von der Politik, von der Weltpolitik, eine
Art Weltregierung aufzubauen, mit weitaus mehr Befugnissen als zum 
Beispiel die UN sie haben. Eine Weltregierung, legitimiert durch ein 
Weltparlament, das wiederum aus freien und weltweiten Wahlen 
hervorgegangen ist. Möglich, ja, möglich wäre das mit Fantasie und 
Willen, denkbar, wünschbar, vielleicht auch machbar in Zeiten, in 
denen wir so sehr voneinander abhängen wie nie zuvor und auch so frei
miteinander kommunizieren können wie nie zuvor, jedenfalls wenn man 
uns lässt. Eine Utopie, klar, aber irgendwann muss man anfangen.
L'Aquila, Ruinenstadt, Symbolstadt für einen Neubeginn. Man mag das 
dann G 20 nennen oder W 80, einerlei. Wichtig ist, dass sich 
Menschen, dass sich Nationen künftig auf Augenhöhe begegnen, 
friedlich, ein bisschen vorausschauender, sich ihrer gegenseitigen 
Abhängigkeit und ihrer Verantwortung für den ganzen Erdball bewusst. 
Dann wäre schon eine Menge gewonnen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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