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Berliner Morgenpost: Der Betrug gehört zur Wette wie das Tor zum Fußball - Leitartikel

Berlin (ots)

Die grenzenlose Empörung über den neuerlichen
Wettskandal hat etwas rührend Naives. Die Annahme, ausgerechnet in 
der Zocker-Branche herrschten Recht und Anstand, ist ungefähr so 
realitätsnah wie der Glaube, alle Bürger zahlten brav ihre Steuern. 
Der Beschiss gehört zur Wette wie das Tor zum Fußball.
Kein Geldsystem lädt derart zum Missbrauch ein wie das internationale
Wettgeschäft. Die Branche war schon in der Antike halbseiden und wird
es bis in alle Ewigkeit bleiben. Denn je ununübersichtlicher und 
anonymer die Abläufe, desto gefahrloser, reizvoller und lukrativer 
ist die Trickserei. Das internationale Wettgeschäft bietet 
gigantische Betrugsoptionen - und die werden natürlich genutzt, zumal
sich der Schaden kaum messbar auf Millionen Gutgläubige verteilt.
Jeder halbwegs vernunftbegabte Viertklässler kapiert, wie simpel der 
Betrug funktioniert: Sobald ein Einzahler einem Spieler einen Anreiz 
bietet, der stärker ist als Sportgeist oder Loyalität zum 
Arbeitgeber, läuft das Manipulationssystem. Im simpelsten Fall sind 
Spieler und Wetter ein und dieselbe Person. Absurd, dass nicht nur 
Kickern, sondern jedem Profi-Sportler, Schiedsrichtern und manchen 
Offiziellen die Chance gegeben wird, das eigene Fehlverhalten zu 
belohnen. Sportwetten laden gerade die zweite und dritte Reihe der 
Berufssportler zum Missbrauch ein, ob in Lettland oder Lüdenscheid.
Die Wettindustrie lebt von zwei sträflich dummen Annahmen. Erstens 
ist da der Mythos vom untadeligen Sportsmann, der sich in jedem 
Wettkampf zerreißt. Selbst wenn Athleten von edlerer Gesinnung wären 
als der Rest der Menschheit, so bleibt ein Rest von kriminellen 
Geistern, wie der Volkssport Dopen beweist. Ist es wirklich 
überraschend, dass manchem Legionär der schnelle Tausender wichtiger 
ist als der Klassenerhalt?
Die zweite Fehlannahme: Mit den Mitteln des Rechtsstaats sei dem 
Betrug beizukommen. Welch ein Quatsch. Wenn jemand Lehren aus dem 
Fall Hoyzer gezogen hat, dann die Wett-Mafia: Um unter dem 
Kontrollradar zu bleiben, bedurfte es einfach nur vieler kleinerer 
Einsätze, möglichst weit entfernt vom Ort des Spiels. Globalisierung 
bedeutet eben auch, dass man in Shanghai auf eine Niederlage des VfL 
Osnabrück setzen kann. Das Internet beschleunigt und verschleiert die
Zockerei noch.
Wird der Betrug derart leicht gemacht, wäre es dumm zu glauben, die 
nun aufgeflogenen Fälle - darunter angeblich wieder der eines 
DFB-Schiedsrichters - seien die einzigen. Theoretisch ist so ziemlich
jeder Wettkampf wett- und mithin manipulierbar. Weil kein rechtliches
Instrumentarium die internationalisierten Praktiken eindämmen kann, 
gibt es nur zwei Wege zur Lösung: Entweder die Gesellschaft lebt mit 
einem quasi legalisierten Betrugssystem und freut sich über Steuern, 
die man übrigens brutalstmöglich erhöhen sollte. Oder das 
geschäftsmäßige Wetten wird durch drastisch reduzierte Einsätze und 
Gewinne schlichtweg unattraktiv für Gangster. Ansonsten wird sich das
Hoyzer-Muster wiederholen: Millionen-Kaution hinterlegen und auf ins 
nächste Wettbüro.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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