BERLINER MORGENPOST: Das gewagte Doppelspiel der Kandidatin, Gilbert Schomaker über die Pendlerin zwischen der Landes- und der Bundespolitik
Berlin (ots)
Der Wahlkampf um die Macht in Berlin ist eröffnet. Renate Künast fordert den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) heraus. Nicht mehr und auch nicht weniger. Denn dieses Amt will sie. Für die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag kommt nur das Rote Rathaus in Frage. Einen Job als Umweltsenatorin und Stellvertreterin unter Wowereit wird sie nicht machen. Die Spitzenpolitikerin der Grünen in Deutschland ist nicht gewillt, in einer Nebenrolle auf die Bühne der Landespolitik zurückzukehren, auf der sie schon so viele Jahre spielte. Für Künast ist es eine Fahrt in die Landespolitik mit Rückkehrrecht auf die Bundesebene. Das sieht man auch an ihrem Terminkalender. Gestern Berlin: Bewerbungsrede um das Amt der Regierenden Bürgermeisterin. Heute führt sie mit den Grünen als Oppositionsführerin in Gorleben den Protest gegen den Castor-Transport an. Morgen wird sie wieder in Wedding sein, beim Parteitag ihre Antrittsrede vor der Partei als Spitzenkandidatin halten. Es ist der Schwachpunkt der Strategie der Grünen, dass sie auf ein Alles-oder-Nichts setzen. Entweder die Grünen werden stärkste Partei und können damit das Amt der Regierenden Bürgermeisterin erobern, oder Künast wird ihr Heil in der Bundespolitik suchen. Das steht jetzt schon fest. Werden die Berliner dieses Vorhaben gutheißen? Die nächsten Wochen und Monate werden es zeigen. Es bleibt aber auch die Frage, ob Künast, die bei den Grünen aufgrund ihrer Beliebtheitswerte unumstritten ist, der Partei die erhofften Stimmen bei der Abgeordnetenhauswahl bringen wird. Immerhin kommen die Grünen von Umfragewerten von 30 Prozent. Sollten die Werte sinken, käme Künast unter Druck. Der Wahlkampf ist noch lang. Ob der Bundestrend so anhält, von dem auch die Berliner Grünen profitieren, ist offen. Künast wird in ihrer Rolle als Bundestagsfraktionsvorsitzende alles daran setzen, dass sich der Trend für Rot-Grün auf Bundesebene verstetigt. Daran wird sie arbeiten, dafür wird sie Zeit brauchen. Aber genau das birgt ein Problem für Berlin. Auf Bundesebene schöpfen die Grünen Hoffnung, dass es bei der nächsten Wahl zusammen mit der SPD für einen Regierungswechsel reichen könnte. Deswegen positionieren sie sich klar gegen Schwarz-Gelb im Bund. Wenn Künast diesen Konflikt nun nach Berlin trägt, kann ihr Doppelspiel Folgen für die Stadt haben. Der Wahlkampf und eine mögliche Regierungsbeteilung der Grünen in der Hauptstadt dürfen nicht verkommen zu einer Show gegen die Bundesregierung. Berlins Probleme sind zu gewaltig, als dass die Hauptstadt zum Vorfeld bundespolitischer Auseinandersetzungen wird. Dass es solche Gefahren gibt, zeigt ein Blick ins Programm der Grünen für ihren Berliner Parteitag am Sonntag. Da ist beim Klimaschutz viel die Rede von den Fehlern der schwarz-gelben Bundesregierung. Jetzt geht es darum klare Antworten auf die Probleme in der Integration, der Schulen und des Arbeitsmarkts zu geben. Das gilt für alle Parteien. Nicht nur für die Grünen. Damit die Bürger am 18. September 2011 eine wirkliche Wahl haben.
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