BERLINER MORGENPOST: Es steht mehr als der Euro auf dem Spiel - Leitartikel
Berlin (ots)
Wenn es wirklich ernst wird - und es steht wahrlich schlecht um Europa und seinen Euro - dann besinnen sich Deutschland und Frankreich auf ihre gemeinsame Verantwortung. Entgegen allen skeptischen Prognosen haben sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy auf ein Stabilisierungsprogramm verständigt, das endlich wieder Hoffnungen weckt. Weil der von beiden gewiesene Weg das einzig richtige Ziel ansteuert: Rückkehr zu einer sanktionsbewährten Stabilitätspolitik in allen 17 Euro-Ländern. Um diese in der Praxis umzusetzen, wollen die beiden von Typ und Charakter her doch eigentlich so unterschiedlichen Regenten ihre Kollegen von zwei Voraussetzungen überzeugen. Die eine dürfte ziemlich unstrittig sein: eine gemeinsame Wirtschaftsregierung zur engeren Zusammenarbeit und Koordinierung von Ökonomie und Finanzen im gemeinsamen Währungsraum. Wie die konkret aussehen soll und welche Befugnisse sie über nationale Verantwortlichkeiten hinaus haben wird, ist noch offen. Aber eine wichtige Einsicht beginnt sich durchzusetzen: In einer Gemeinschaft mit gemeinsamer Währung darf nicht jedes Mitglied wirtschaften und sich verschulden, wie es ihm aus innenpolitischer Interessenlage gerade beliebt. Das Ergebnis solch nationaler Egoismen muss gerade bereinigt werden. Schwieriger dürfte die Akzeptanz von Merkels und Sarkozys wirklich kühnem Vorstoß werden, nach deutschem Vorbild in allen Euro-Staaten eine Schuldenbremse zu verankern. Nicht als unverbindliche Absichtserklärung. Sondern unverrückbar und einklagbar festgeschrieben in allen nationalen Verfassungen. Das wäre ein wirklich großer Wurf. Eine überfällige Wiederannäherung an die einst bei Einführung des Euro in Maastricht so fest versprochenen und ausgerechnet von Deutschland erstmals gebrochenen Stabilitätskriterien. Dafür allerdings müssen weitere nationale Souveränitätsrechte abgetreten werden. Nicht minder heikel - aber wirksam - sind die im deutsch-französischen Sanierungsplan angedrohten Sanktionen gegen auch künftige Defizitsünder. Die sollen kein Geld mehr aus den noch immer üppig sprudelnden EU-Strukturfonds zur Verbesserung ihrer nationalen Wirtschaft bekommen. Noch ist vieles vage. Aber Paris und Berlin als Europas Führungsduo haben endlich die Initiative ergriffen, um das große Projekt eines gemeinsamen Europa vor der Selbstzerstörung zu bewahren. Nichts anderes wäre die gar nicht mehr klammheimliche Umwandlung der Euro-Zone in eine Transferunion, in der die vergleichsweise Sparsamen die Schulden der finanziellen Luftikusse mitzutragen haben. Konkreter: Noch mehr Bürger in Deutschland werden ihren Glauben an die einst so große Hoffnung Europa verlieren, wenn zu Hause gespart und eine Steuererleichterung für die Mitte der Gesellschaft für illusorisch erklärt wird, weil die Schulden der Schludrigen mitbezahlt werden müssen. So kann eine Gemeinschaft auf Dauer nicht existieren. Da rebellieren die Bürger. Deshalb ist der Rettungsversuch Merkels und Sarkozys weit mehr als ein finanzpolitischer. Er ist von historischer Bedeutung. Er darf nicht scheitern. Erst nach dem Gelingen darf dann ernsthaft auch über Euro-Bonds geredet werden.
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