BERLINER MORGENPOST: Was Familien brauchen Leitartikel von Dorothea Siems über die Notwendigkeit flexibler Arbeitszeitmodelle für Eltern
Berlin (ots)
Das Gros der Frauen wagt heutzutage den Spagat: Man entscheidet sich nicht zwischen Kind und Karriere, Herd oder Schreibtisch, sondern wählt ganz selbstverständlich beides. Die einen kehren rasch aus der Babypause ins Berufsleben zurück, andere bleiben einige Jahre. Doch ein Abschied für immer, in früheren Zeiten durchaus üblich, ist mittlerweile die absolute Ausnahme. Dies liegt zum einen daran, dass die jungen Frauen so gut ausgebildet sind wie keine Generation zuvor. Und diese Investition soll sich lohnen. Zum anderen hat es der vor mehr als zehn Jahren eingeführte Rechtsanspruch auf Teilzeit Arbeitnehmerinnen enorm erleichtert, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen. Die flexiblen Arbeitszeitarrangements sind der wichtigste Grund, warum Deutschland mittlerweile nach Schweden in puncto Müttererwerbsquote Vize-Europameister ist. Für die überwiegende Zahl der Familien hierzulande ist es das Idealmodell, dass der Vater den ganzen Tag arbeitet, während die Frau ihre Energie gleichermaßen auf Beruf und Kinder verteilt.
Teilzeit ist jedoch nicht nur Segen, sondern auch Fluch. So müssen Frauen oft im Laufe der Jahre feststellen, dass ihre verkürzten Arbeitszeiten sie häufig in eine berufliche Sachgasse geführt haben. Dramatisch kann die Situation zudem werden, wenn die Familie einen Schicksalsschlag erleidet, etwa wenn der Partner seine Stelle verliert oder aber Frau und Kinder verlässt. Wie soll eine Mutter mit ihrem Teilzeitjob dann die Familie ernähren? Sicherlich gibt es viele Arbeitgeber, die bei Bedarf die Rückkehr in eine Ganztagsstelle ermöglichen. Doch die Frauen - selten sind es die Männer - gehen ein hohes Risiko ein, wenn sie sich heute entscheiden, auch über die Elternzeit hinaus beruflich kürzerzutreten, um Zeit für ihre Kinder zu haben. Auch im Fall einer Scheidung sind sie es, die alleine die Folgen ihrer Entscheidung schultern müssen.
Familienministerin Kristina Schröder hat deshalb recht, wenn sie ein Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle fordert. Denn auch dieser Punkt gehört zur viel beschworenen Wahlfreiheit für Familien dazu. Eltern brauchen ausreichend Zeit für ihren Nachwuchs. Aber sie brauchen auch berufliche Perspektiven, um das Leben nach eigenen Wünschen gestalten zu können. So verständlich es ist, dass sich die Arbeitgeber geradezu reflexartig gegen neue gesetzliche Vorschriften wehren, so dringlich ist es, hier zu einer befriedigenden Lösung zu kommen.
Die hiesige Wirtschaft ist vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels dringend auf die Frauen am Arbeitsmarkt angewiesen. Es liegt deshalb im Interesse der Unternehmen, Eltern Brücken vom Teilzeitjob in eine Ganztagsstelle zu bauen. Zunächst sind jetzt die Tarifparteien sowie die Sozialpartner in den einzelnen Betrieben gefordert, entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Sollten jedoch Gewerkschafter, Betriebsräte und Arbeitgeber dazu nicht in der Lage sein, wird sich der Gesetzgeber der Frage wohl schon bald annehmen - denn vielen Eltern brennt dieses Problem auf den Nägeln.
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