BERLINER MORGENPOST: Kein Grund für Übermut - Leitartikel von Jochim Stoltenberg
Berlin (ots)
Es ist schon erstaunlich, mit welcher Realitätsverweigerung Mitglieder der Regierungskoalition von SPD und CDU die Berliner Finanzmisere ausblenden. Sie scheinen nicht zu begreifen, dass es bei Haushaltsberatungen nicht um Erfüllung von Wunschzetteln geht, sondern um das Austarieren von Einnahmen und Ausgaben zum Wohle der Stadt. Selbst das ist in Berlin zu wenig. Angesichts von 63 Milliarden Euro Miesen, die jährlich rund 2,2 Milliarden Euro verschlingen, muss der Schuldenabbau im Blick bleiben.
Wenn angesichts dieser Ausgangslage Abgeordnete zusätzliche Ausgaben von rund 200 Millionen Euro fordern, zeugt das von wenig Verantwortungsbewusstsein. Mit ihren Sonderwünschen für mehr Radwege, zeitgenössischen Tanz und Off-Kultur, zur Beschleunigung von Bauanträgen und des Wohnungsbaus reagierten sie Anfang der Woche auf den Entwurf des Doppelhaushalts 2014/15 ihres Finanzsenators Ulrich Nußbaum.
Dessen Zahlenwerk ist ambitioniert, aber nicht ohne Risiken. Nicht allein der BER und das ICC bleiben unkalkulierbar tiefe Löcher. Nußbaums Etat sieht Ausgaben von jährlich 23 Milliarden Euro vor, dafür erhöht er den Schuldenturm 2014 um 154 Millionen Euro, 2015 will er mit den Einnahmen auskommen. Natürlich ist die vom Senat gebilligte Vorlage kein Diktat. Die Budgethoheit bleibt in der Demokratie das vornehmste Recht der Parlamentarier. Aber den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses muss sogleich ins Stammbuch diktiert werden: Wehret den Anfängen und allen Verlockungen; bleibt euch der weiter dramatisch schlechten Finanzlage der Stadt bewusst.
Das Etat-Volumen von 23 Milliarden Euro eröffnet Spielräume für Umschichtungen innerhalb des vorgelegten Finanzrahmens - keine für zusätzliche Ausgaben. Es ist ja kein Selbstzweck, wenn der Finanzsenator und mit ihm der Senat das Ziel proklamiert, ab 2015 ohne neue Schulden auszukommen. Es ist der pure finanzielle Selbsterhaltungstrieb. Der Druck von außen erzwingt ihn.
Ab 2019 fällt der Solidarpakt weg und der für Berlin günstige Länderfinanzausgleich wird neu verhandelt. Mindereinnahmen von einer Milliarde Euro drohen; dazu wirkt ab 2020 die Schuldenbremse. Berlins Wirtschaft und damit auch die Steuereinnahmen entwickeln sich derzeit sehr erfreulich. Kein Grund zum Übermut. Im Übrigen: Der Senat hat City-Tax und höhere Grunderwerbsteuer nicht beschlossen, um Sonderwünsche zu finanzieren.
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