BERLINER MORGENPOST: Zu lange geschwiegen - Leitartikel von Philipp Neumann zum Rücktritt von Mesut Özil
Berlin (ots)
Die Erklärung, mit der Mesut Özil seinen Rücktritt aus der Fußball-Nationalmannschaft bekannt gibt, ist nicht nur in ihrer Wucht einzigartig. Auch die Absolutheit, mit der sich da eine öffentliche Person jeglichem Dialog verweigert, ist neu.
Zwei Monate hat Özil geschwiegen, als es um das umstrittene Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdogan ging. Jetzt hat er die mediale Superbombe gezündet. Dass er dies nur in englischer Sprache macht, schafft - bewusst oder unbewusst - die größtmögliche Distanz zu Deutschland.
Özil scheinen die Folgen des Textes egal zu sein. Hat er, der stets wortkarg auftritt, ihn überhaupt allein geschrieben? Jedenfalls macht er deutlich, dass er mit niemandem diskutieren will. Persönlich sind der Frust und die Wut, die er hinausbläst, nachvollziehbar.
Inhaltlich ist es nicht ganz einfach, seine Vorwürfe zu sortieren. Auslöser und Mittelpunkt der Diskussion ist noch immer das Treffen mit Erdogan. Die Freiheit in diesem Land besteht ja gerade darin, dass man sich einem Treffen mit einem Politiker auch verweigern kann. Man darf die Regierung sogar kritisieren. Dass Özil das nicht erkennt, ist traurig.
Vielleicht hätte Özil versuchen sollen, sich und seine Gefühle für die Türkei besser zu erklären. Sein Publikum hätte er finden können. Vielleicht wollte er aber einfach nur Fußball spielen und viel Geld verdienen. Vielleicht war er auch nie das Beispiel für Integration, als das ihn Politiker gern gesehen haben.
Integration lebt vom Dialog, vom Geben und vom Nehmen. Indem Özil seinem persönlichen Frust Luft gemacht hat, an sich selbst denkt und sich dem Gespräch verweigert, hat er sich aus Deutschland verabschiedet.
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