BERLINER MORGENPOST: Diesel-Urteil: Berlin drohen neue Tempo-30-Zonen
Berlin (ots)
Von Joachim Fahrun
Mit den Fahrverboten für Diesel auf acht Straßen sind die zu erwartenden Beschränkungen für Berlins Autoverkehr als Folge zu hoher Stickoxid-Werte noch lange nicht komplett. Nach dem Gerichtsurteil muss die Senatsverkehrsverwaltung bis Ende März 2019 für weitere 106 Streckenabschnitte auf 62 Straßen nachweisen, wie die Schadstoffgrenzwerte zum Schutz der Anwohner zu erreichen sind. Dabei könnte es zu weiteren Fahrverboten für Diesel kommen. Zu erwarten sind aber zahlreiche Tempo-30-Zonen. Senatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) hatte zudem von mehr gebührenpflichtigen Parkzonen in der City gesprochen, wie die Berliner Morgenpost (Sonntag) berichtet.
Zwar sei es noch zu früh, um zu sagen, dass diese Strecken "ins Blickfeld für Fahrverbote rücken", sagte Verkehrsstaatssekretär Stefan Tidow (Grüne). Man müsse hingegen schauen, wie man das mit anderen Maßnahmen verhindern könne. "Dazu gehören auch weitere Tempo-30-Zonen", sagte der Staatssekretär: "So viel an Instrumenten steht ja nicht zur Verfügung." Im Haus von Verkehrsenatorin Günther geht man davon aus, dass der Stickoxid-Ausstoß durch Tempo 30 um etwa zehn Prozent zu drosseln ist. Versuche mit Tempo 30 auf der Leipziger Straße haben zwar gezeigt, dass sich die dort sehr hohen Stickstoffdioxid-Werte nicht allein durch niedrigere Höchstgeschwindigkeit unter die zugelassenen Limits drücken lassen.
Eine Reduktion von bis zu zehn Prozent ist aber zu erreichen. Deshalb dürfte das Instrument an vielen Straßen herangezogen werden, um die Auflagen des Verwaltungsgerichts zu erfüllen und den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft einzuhalten. Gericht ordnet Prüfung von 106 Straßenabschnitten an Innerhalb der Marge von zehn Prozent über den bisher prognostizierten Schadstoffwerten für 2020 liegen 86 der 106 Straßenabschnitte, für die das Gericht eine Prüfung angeordnet hat. Davon wiederum liegen 27 in der Prognose zwischen 41 und 40 Mikrogramm, also nur ganz knapp zu hoch.
Tempolimits könnten in der Torstraße und in der Breiten Straße in Mitte das Mittel der Wahl sein, ebenso auf der Beusselstraße in Moabit, der Luxemburger Straße in Wedding und der Dominicusstraße in Schöneberg. Überall dort liegen die vorhergesagten Grenzwerte knapp unter 44 Mikrogramm. Ebenfalls in diese Gruppe gehören der Mehringdamm in Kreuzberg, die Elsenstraße in Treptow sowie die Turmstraße in Moabit. Etwas weniger stark überschritten werden die Grenzwerte an der Frankfurter Allee in Friedrichshain oder an der Danziger Straße in Prenzlauer Berg. Es geht aber immer nur um kurze Abschnitte, in denen meistens die Häuser eng an der Fahrbahn stehen, kaum Wind geht und es an Grün fehlt. Damit dürfte es zu großflächigen Tempo-30-Zonen kommen.
Für die 20 Straßen, auf denen Werte zwischen 44 und 48 Mikrogramm prognostiziert sind, wird Tempo 30 allein aber nicht ausreichen. Dazu zählen die Oranienstraße in Kreuzberg, der Mariendorfer Damm in Tempelhof, die Sonnenallee in Neukölln und der Spandauer Damm in Charlottenburg. Hier muss sich die Verwaltung weitere Eingriffe überlegen, um den Anforderungen des Gerichts Genüge zu tun. Zwar ist es in den vergangenen Jahren bereits gelungen, 45 Kilometer Straßen vor allem durch sauberere BVG-Busse aus der Problemzone zu bekommen. Mit Verweis auf diese Fortschritte kontert Senatorin Günther stets die Kritik, sie habe sich nicht wirklich um Alternativen zu Fahrverboten gekümmert. Dass aber mehr Elektroautos oder effizienterer Lieferverkehr in einem halben Jahr den Schadstoffausstoß für all die zu prüfenden Straßen hinreichend senken kann, bezweifeln Experten.
Die Verwaltung steht bei ihrer Arbeit unter Beobachtung. "Wir werden dem Berliner Senat sehr eng folgen", kündigte Jürgen Resch an. Er ist Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die mit ihren Klagen die Fahrverbote in Berlin und anderswo durchgesetzt hat. Ende März, wenn die Frist des Gerichts zur Vorlage des Luftreinhalteplans abgelaufen ist, werde man nötigenfalls erneut vor Gericht ziehen, um auch mit Eilanträgen auf die Einhaltung der Grenzwerte zu drängen, kündigte Resch an. "Wir werden auch Anwohner der betroffenen Straßen zu Individualklagen animieren." Es werde in Berlin nicht bei einigen Hundert Metern gesperrter Straßen bleiben. Ursprünglich hatte die Organisation ein Fahrverbot für Diesel im Bereich der Umweltzone innerhalb des S-Bahnrings durchsetzen wollen.
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