Keine Experimente
Leitartikel von Kerstin Münstermann zur CDU in Thüringen
Berlin (ots)
Es ist schon interessant, wie viel Einfluss sich ehemalige Politiker noch zusprechen. Bei den aktuellen Entwicklungen in Thüringen machen derzeit Leute Schlagzeilen, deren Amtszeit schon lange vorbei ist. So meldete sich nach rund einer Dekade der frühere CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus zu Wort. Und zwar mit für seine Partei äußerst brisanten Einlassungen. Althaus, der das Land zwischen 2003 und 2009 mit absoluter Unionsmehrheit regierte, arbeitet seit Jahren für den Autozulieferkonzern Magna. Dennoch schlug er vor, die CDU solle doch in einer Projektregierung mit den Linken regieren. Auch Altbundespräsident Joachim Gauck fordert, die Union müsse in Thüringen über ihren Schatten springen und mit der Linken verhandeln.
Die allerdings, die gerade in der CDU bundespolitisch das Sagen haben, sind strikt gegen eine Zusammenarbeit mit den Linken. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak war da bereits am Wahlabend im Oktober sehr klar. Und zwar in beide Richtungen. "Keine Zusammenarbeit mit den Linken oder der AfD", hieß es bereits am Wahlabend sehr deutlich aus dem Konrad-Adenauer-Haus. Er bekam für seine klare Haltung viel Zuspruch. Ziemiak sowie auch seine Chefin, die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, berufen sich dabei auf eindeutige Parteitags- und Fraktionsbeschlüsse der CDU.
Im Falle der AfD muss der Ausschluss einer Zusammenarbeit ohnehin unstrittig sein. Aber auch Linke und Union vertreten eine völlige unterschiedliche Auffassung von Politik. In der Sozialpolitik ebenso wie in der Verteidigungs-, Sicherheits- und Flüchtlingspolitik. Diese politischen Unterschiede sind eklatant. Und gut, denn davon lebt eine Demokratie. Sie lässt den Wählern eine wirkliche Wahl. Ein Zusammengehen der CDU mit den Linken in Thüringen würde die Bundespartei spalten. Kramp-Karrenbauer würde den konservativen Teil der Union und den wirtschaftlichen Mittelstand gleichermaßen verprellen.
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer muss auch auf die warnenden Töne der CSU achten. Aus Bayern heißt es zwar, das sei Angelegenheit der CDU. Aber man rate doch, möglichen Kooperationen zu widerstehen. Die Ansage ist also klar, zumal man in München den Linken-Politiker und Wahlsieger Bodo Ramelow in der alleinigen Verantwortung sieht, eine Regierung auf die Beine zu stellen. Warum sollte man ihm das leichter machen? Thüringens CDU-Partei- und Fraktionschef Mike Mohring wies den Althaus-Vorstoß zumindest nicht zurück. Für die Thüringer CDU wäre es eine Option, doch noch an die Macht zu kommen. Und natürlich hat auch der Thüringer CDU-Generalsekretär zumindest geografisch recht, wenn er sagt: "Berlin ist weit."
Trotzdem: Ein Präzedenzfall muss vermieden werden, so kompatibel und rational der linke Ministerpräsident Ramelow auch sein mag. Für Thüringen bedeutet dies: Ein Mittragen einzelner Projekte durch die CDU ist ja durchaus denkbar. Eine wie auch immer geartete "Regierung" ist doch mehr, als bei einzelnen Projekten im Sinne des Landes mitzuarbeiten. Und diese würde die Partei im Bund ein Jahr vor der regulären Bundestagswahl viel Glaubwürdigkeit kosten. Ramelow geht davon aus, dass die Verhandlungen mit SPD und Grünen über ein Regierungsprogramm in den nächsten Tagen abgeschlossen werden könnten. Vielleicht war der laute Vorschlag eine Nebelkerze zur Disziplinierung der künftigen Minderheitsregierung. Und die CDU kann in der Opposition das Zünglein an der Waage spielen. Und sich erneuern. Das, wonach sich die SPD im Bund ja angeblich so sehnt.
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