Alle Storys
Folgen
Keine Story von BERLINER MORGENPOST mehr verpassen.

BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Eine Frage der Ziele
Leitartikel von Ulrich Krökel

Berlin (ots)

Xi Jinping ist nicht nur für drei Tage nach Moskau gereist. Chinas Staatschef hat seinen russischen Kollegen Wladimir Putin auch demonstrativ zum Gegenbesuch eingeladen. Jenen Mann also, der per internationalem Haftbefehl als Kriegsverbrecher gesucht wird. Ist das endgültig der "Teufelspakt der Diktatoren", den Vertreter der reinen demokratischen Lehre längst an die Wand malen?

Es gibt auch andere Stimmen im Westen. Sie schüren Hoffnungen und sehen in Chinas starkem Mann einen möglichen Friedensstifter in der Ukraine. Sie wollen sich auch von den Hochglanzbildern nicht täuschen lassen, die der Kreml vom Xi-Besuch inszenierte. Diese Stimmen gehören meist jenen, die Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskrieges in der Ukraine herbeisehnen.

Tatsächlich sind beide Sichtweisen eindimensional verengt. Klar ist: China kann nicht der neutrale Vermittler sein, als der sich Xi kürzlich mit seinem Zwölf-Punkte-Plan präsentieren wollte. Denn selbstverständlich ist Peking Partei - aufseiten Moskaus. So wie Washington, Berlin und Brüssel ebenfalls Partei sind - aufseiten Kiews.

Allerdings geht es bei den Hoffnungen, die manche im Westen mit China verbinden, gar nicht um die Rolle eines "neutralen" Vermittlers. Dass Xi und Putin strategische Partner sind, steht außer Zweifel. Die beiden Staatschefs haben das am Dienstag mit weiteren Abkommen über eine vertiefte Zusammenarbeit untermauert. Aber gerade wegen dieser Sonderbeziehung kann die Führung in Peking einen Einfluss in Moskau geltend machen, den weltweit sonst niemand hat.

China kann dem russischen Angriffskrieg nicht den Stecker ziehen, aber ein klares Stoppsignal an Putin würde mit Sicherheit nicht wirkungslos bleiben. Denn faktisch hängt Russland seit Kriegsbeginn wirtschaftlich am Tropf Chinas. Und auch in der globalen Politik würde Putin ohne Xi endgültig zum Paria. Man erinnere sich nur an den G20-Gipfel im November, als Russlands Außenminister Sergej Lawrow vorzeitig und fast fluchtartig abreiste. Jener Lawrow, den das Publikum in Indien kürzlich auslachte, weil er allzu absurde Propagandaparolen verbreitete.

In dieser Lage könnte Xi seinen "lieben Freund" Putin also zweifellos zu Verhandlungen mit Kiew "überreden". So wie der Westen dies mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj tun könnte. Denn gegen den Willen der USA und ihrer europäischen Verbündeten könnte auch Selenskyj nicht lange Krieg führen.

Unter dem Strich ist daher alles eine Frage der Ziele. Und da passt (noch) nicht viel zusammen. Weder für China noch für den Westen. Aus Pekings Perspektive darf Putin nicht als Verlierer vom Schlachtfeld gehen - und schon gar nicht über ein Scheitern stürzen. Denn damit würde die Gefahr wachsen, dass Russland sich neu orientiert. Umgekehrt will der Westen verhindern, dass sich der Eroberungskrieg für Russland lohnt: Putin darf mit seinen Annexionen keinesfalls durchkommen.

Beide Ansätze zusammenzubringen, wäre die ganz hohe Kunst der Diplomatie. Gesucht wäre eine Formel, die den Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine garantiert - und Putin dennoch nicht zum Verlierer macht. Dabei ginge es nicht um persönliche Gesichtswahrung, sondern um belastbare Ergebnisse. Klingt weit hergeholt. Aber spätestens wenn die bevorstehenden militärischen Offensiven ins Leere laufen, werden all diese Fragen mit neuer Dringlichkeit auf den Tisch kommen. Und Xi Jinping wird dabei eine Rolle spielen.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
  • 21.03.2023 – 19:10

    Berliner Morgenpost: Betriebsklima ist wichtig / Kommentar von Beate Kranz

    Berlin (ots) - Die Corona-Pandemie hat mit all ihren Einschränkungen und Herausforderungen nicht nur das Privatleben vieler Menschen verändert, sondern auch den Blick auf den Job. Viele arbeiteten erstmals vom Homeoffice aus statt im Büro. Andere mussten trotz großer Unsicherheiten an ihrem Arbeitsplatz unter Masken erscheinen, da eine Fabrik oder ein Supermarkt ...

  • 20.03.2023 – 19:20

    Berliner Morgenpost: Vom Wissen zum Handeln / Kommentar von Kai Wiedermann

    Berlin (ots) - Der Weltklimarat hat noch mal an der Uhr gedreht. War es aus Sicht der Wissenschaft mit Blick auf die Erderwärmung schon lange fünf vor zwölf, so ist es nun eher eine Minute vor zwölf. Das Zeitfenster schließt sich schnell, um jene Ziele zu erreichen, die sich die Weltgemeinschaft gesteckt hat - die Klimaerwärmung auf 1,5 oder höchstens 2 Grad ...

  • 20.03.2023 – 19:15

    Berliner Morgenpost: Zeigt, was Kinder wert sind / Leitartikel von Madeleine Janssen

    Berlin (ots) - Es ist der x-te Bericht, der den Eindruck untermauert: Im reichen Deutschland zählen Familien nichts. Das "Familienbarometer", das Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Montag vorgestellt hat, ist durchzogen von Sorgen und Ängsten der Eltern. Wie sollen wir die Klassenfahrt für 500 Euro bezahlen? Der Sohn braucht schon wieder neue Schuhe, ...