Berliner Morgenpost: Zeit für Führung
Leitartikel von Jörg Quoos
Berlin (ots)
Bei Ehen, so sagt der Volksmund, soll das siebte Jahr besonders schwierig sein. In der Ampel aus SPD, FDP und Grünen hängt schon nach etwas über einem Jahr der Haussegen gewaltig schief.
Die drei unterschiedlichen Partner sind längst über die naturgegebenen Meinungsverschiedenheiten hinaus. Man misstraut einander, beschuldigt sich gegenseitig der Indiskretion und ist bei den eigenen Positionen rechthaberisch bis hin zur Arroganz.
Speziell Christian Lindner und Robert Habeck sind reif für die (Junior-)Partnertherapie. Bei der Verschuldung, beim Heizungsverbot, beim geplanten Aus für die Verbrenner scheinen die Fronten unüberbrückbar. Statt vertraulicher Gespräche werden vergiftete Briefe ausgetauscht, an den jeweils "Werten Herrn Kollegen". Und hinter den Kulissen wird mit allen Tricks der Politprofis Hardball gespielt, um dem anderen jeweils schwere Treffer zuzufügen.
Es ist zu kurz gesprungen, wenn man der FDP vorwirft, dass sie sich aus reiner Angst vor dem politischen Fünf-Prozent-Tod so in Rage regiert. Es war klar, dass in dieser Koalition die Liberalen das Korrektiv sind, das grüne Wunschträume mit Blick auf die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf den Boden der Tatsachen holt.
Es war ebenso klar, dass die Grünen Druck machen beim Kampf gegen den Klimawandel. Sie dürfen nicht zufrieden sein mit einem Partner, für den sogar unbegrenztes Rasen auf der Autobahn den Status eines Menschenrechts hat - obwohl die Mehrheit der Deutschen laut Umfragen gerne entspannt mit Tempo 130 ans Ziel käme.
Aber: Grüne und Liberale sind als Partner der SPD mit dem Versprechen angetreten, diese Pole in Balance zu bringen und eine gute, bürgernahe Politik zu machen. Die müssen sie jetzt liefern, wenn die derzeitige Fassungslosigkeit der Bürgerinnen und Bürger nicht in eine politische Krise münden soll.
Was in der Hauptstadt gerade produziert wird, ist keine planbare Politik. Das ist Schießen aus der Hüfte. So beim Heizungsverbot, das schon ab dem 1. Januar kommenden Jahres gelten soll und bei dem noch nicht mal das Gesetz fertig ist. Oder beim Neubaustreit um Ministerien, wo der Bundesfinanzminister Planungen abräumt, die sein eigener Staatssekretär noch Tage zuvor als notwendig präsentiert hat.
Oder - in diesem Fall lässt die SPD grüßen - wenn den Leuten Sozialleistungen versprochen werden, für die schlicht kein Geld da ist. Das ist für die Bürger Wurstschnappen wie beim Kindergeburtstag, aber keine vertrauensbildende Politik.
Dass Robert Habeck jetzt behauptet, Medien würden das Vertrauen in die Regierung zerstören, wenn sie über Zwischenstände des Gesetzgebungsverfahrens berichteten, zeigt, wie blank die Nerven liegen. Die freie Presse ist kein Abnickverein für politische Endprodukte, das sollten die zahlreichen Medienberater dem enervierten Bundeswirtschaftsminister mal erläutern.
Die Bürger sind nicht dumm, sie spüren, dass einige in der Regierung vom gangbaren Zukunftspfad auf den Egotrip abgebogen sind. Es ist überfällig, dass sie der Kanzler zurückholt und Kompromisse schmiedet, die auf die vereinbarten Ziele einzahlen, ohne die Bürger zu überfordern.
"Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch", hat Bundeskanzler Scholz schon einmal vollmundig versprochen. Jetzt wäre die Zeit zum Liefern dieser Führung.
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