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Berliner Morgenpost: Der Rausschmeißer - Robert Habeck kämpft um mehr als seinen Ruf
- Leitartikel von Jörg Quoos, Herausgeber der Berliner Morgenpost

Berlin (ots)

Als empathischer Kumpeltyp, der sich aufmacht, die Welt zu retten, hat Robert Habeck einst die Beliebtheitsrankings unter den Spitzenpolitikern angeführt. Jetzt hat Deutschland einen ganz neuen Wirtschaftsminister erlebt. Habeck, den gnadenlosen Rausschmeißer. Was der Wirtschaftsminister mit seinem bisher wichtigsten Mitarbeiter live vor den Kameras gemacht hat, war eine politische Blitz-Exe­kution. All die Treueschwüre der vergangenen Wochen - vergessen.

Dabei waren sicher nicht nur die "neuen Erkenntnisse" entscheidend, die man in der Führung des Ministeriums über Graichen erlangt hatte. Es geht um 600.000 Euro Förderung, die Graichen für eine Organisation guthieß, in der seine Schwester im Vorstand saß. Ja, so etwas wiegt schwer. Aber viel schwerer wiegt für Habeck, dass die Kritik an ihm und seinem Ministerium nicht verstummen will.

Die Wut über das Heizungsgesetz, der grüne Filz, die politische Sprunghaftigkeit - Robert Habeck hat in der Hauptstadt mittlerweile mehr Sturmbrise im Gesicht als der Deichwart von St. Peter-Ording. Das muss sich aus Habecks Perspektive schnell ändern, sonst entgleitet ihm die Wirkungsmacht. Der radikale Bruch mit seinem Staatssekretär ist Habecks Brandschutzmauer, damit er nicht selbst verbrennt. Das Festhalten an Graichen war nicht klug, das hat er spät eingesehen.

Die Art und Weise dieses öffentlichen Rauswurfs durch den Minister persönlich ist auch als unmissverständliche Botschaft an grüne Amigos im eigenen Haus gedacht: Wer mich oder mein Ministerium in Verruf bringt, der fliegt. Habeck hat mit der Entlassung Patrick Graichens richtig gehandelt. Ob es noch rechtzeitig war und wie viel "family and friends" noch im Ministerium steckt, werden die nächsten Wochen zeigen.

Nicht nur die Leitung des Hauses nimmt die Vorgänge genau unter die Lupe, sondern auch die Medien. Habeck hat diese Gefahr erkannt und arbeitet mit Mitteln, die man bei heiklen Lagen von anderen Parteien kennt. Möglichst viel mauern, Presseanfragen selektiv beantworten und nur allernötigste Antworten geben. Drei Fragen waren bei der Habeck-Pressekonferenz zugelassen. Als ob die Öffentlichkeit nicht mehr Fragen zum grünen Filz im Wirtschaftsministerium hätte.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Habeck auch ein Opfer seiner vielen Einflüsterer ist. Aber sie schaden ihm mehr, als dass sie ihm helfen. Habeck sollte wieder auf sein Bauchgefühl hören, das ihn weit gebracht hat. Er ist der Chef. Er will Kanzler werden. Er muss den Laden unter Kontrolle bringen.

Auch wenn Habeck aus der Graichen-Nummer mit einem blauen Auge herauskommt, hat er ein weiteres Problem. Das Chaos in der Leitung hat die Unterstützung für sein Gebäudeenergiegesetz drastisch schrumpfen lassen. Hundert Fragen will die FDP vor einer Zustimmung beantwortet haben. Eine Verabschiedung des Gesetzes noch vor der Sommerpause wird immer unwahrscheinlicher, heißt es bei den Liberalen.

Die Stimmung dreht sich gegen Habeck, sogar aus dem eigenen Lager kommen im Bundesrat Änderungswünsche und Bedenken. Gut möglich, dass das ganze Gesetz noch kippt. Es wäre nicht das erste Mal. Schon die unausgegorene Gasumlage wurde von Habeck erst durchgeboxt und später kleinlaut eingesammelt. Es wäre das Beste, wenn Habeck auch hier reinen Tisch macht und ein neues Gesetz vorlegt. Eines, das die Bürgerinnen und Bürger mitnimmt und nicht derart bevormundet.

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