Berliner Morgenpost: Nichts diktieren lassen
Leitartikel von Jan Dörner zu China
Berlin (ots)
Unserer Welt stehen in den kommenden Jahren gewaltige tektonische Verschiebungen bevor. Die politische und wirtschaftliche Macht verlagert sich vom Westen in andere Teile des Globus - auch nach Asien. Unser alltägliches Leben wird durch den immer schneller werdenden technologischen Fortschritt revolutioniert werden. Wie sehr der Klimawandel das Antlitz der Erde verändern wird, ist noch nicht abzusehen. All das schürt Spannungen.
Das Epizentrum vieler dieser Entwicklungen wird China sein. Die große Herausforderung ist, uns die Richtung dieser Veränderungen nicht von Peking diktieren zu lassen. Auf seiner Reise in das asiatische Riesenreich hat Bundeskanzler Olaf Scholz ein Land voller Selbstbewusstsein erlebt. Die wohl größte Metropolregion der Welt in Chongqing mit rund 32 Millionen Einwohnern und die glitzernden Wolkenkratzer in der Wirtschaftsmetropole Shanghai stehen beispielhaft für den ökonomischen Aufstieg Chinas.
Die mit roten Flaggen gesäumten Prachtstraßen und monumentalen Regierungsgebäude in Peking atmen den aggressiven Willen, zur politischen und militärischen Supermacht aufzusteigen. Deutschland und die anderen Staaten des Westens haben aber gerade erst damit begonnen, sich ernsthaft mit der Herausforderung China zu befassen.
Die wirtschaftliche Dynamik des Landes, mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern der größte nationale Markt der Welt, übt auf die deutschen Unternehmen eine sirenengleiche und zugleich risikoreiche Anziehungskraft aus. Zur Lösung globaler Konflikte ist China unverzichtbar geworden. Das gilt für Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine ebenso wie für zukünftige Krisen in Nahost, Afrika und natürlich Asien.
Ob der Kampf gegen den Klimawandel erfolgreich sein wird, hängt maßgeblich von China ab. Das Land stößt ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen aus, gleichzeitig investiert China massiv in Elektromobilität oder Solarenergie. Doch so wichtig China geworden ist, so gefährlich ist es auch. Das Land spielt nach seinen eigenen Regeln, die mit den Vorstellungen des Westens wenig zu tun haben.
Gezielt will die Führung in Peking unter Staatschef Xi Jinping andere Staaten wirtschaftlich von sich abhängig machen. Deutsche Unternehmen in China kämpfen um faire Marktbedingungen und um den Schutz ihrer Erfindungen. Den Weltmarkt schwemmt China mit staatlich subventionierter Überproduktion zu Dumpingpreisen. Peking droht damit, Taiwan gewaltsam einzunehmen - macht also wenig Hoffnung, in Zukunft die regelbasierte Weltordnung zu verteidigen. Seinen Verbündeten Wladimir Putin lässt Xi in der Ukraine schon seit zwei Jahren wüten.
Während sich die Fronten zwischen den USA und China zusehends verhärten, hat sich Scholz im Reich der Mitte um einen kritischen Dialog bemüht. Streitpunkte benannte der Kanzler öffentlich. Es ist für Deutschland keine Option, vor all den Widersprüchen und Schwierigkeiten im Verhältnis zu China zu kapitulieren. Xi sagte Scholz eine Politik der Kooperation zu, das ist eine gute Nachricht. Wie ernst er das meint, bleibt abzuwarten.
Die Beziehungen zu Peking werden in den kommenden Jahren davon geprägt sein, unsere Werte, Vorstellungen und Ziele selbstbewusst und hartnäckig zu verteidigen. China muss erkennen, dass es langfristig mehr von Frieden, Austausch und verlässlichen Partnerschaften profitiert als von Krieg, Konflikt und Despoten in Russland, Iran oder Nordkorea.
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