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Berliner Morgenpost/Naher Osten am Abgrund/Leitartikel von Michael Backfisch

Berlin (ots)

Nach Israels Doppelschlag auf die Hamas droht ein Flächenbrand

Schlag - Gegenschlag. Und was kommt als Nächstes? Die Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija in Teheran und zuvor des Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukr in Beirut sind nicht nur Vergeltungsakte. Sie sind ist eine gezielte Provokation. Und sie bergen die Gefahr einer regionalen Eskalation mit unkalkulierbarem Ausgang.

Israels Antwort auf die mutmaßliche Hisbollah-Rakete, die in einem Drusendorf auf den Golanhöhen einschlug, hätte auch dosierter ausfallen können. Politisch klug war die Ermordung des Auslandschefs der Hamas in Teheran jedenfalls nicht - aus zwei Gründen. Ismail Hanija war nicht direkt in den aktuellen Gaza-Krieg verwickelt. Er saß die meiste Zeit in der katarischen Hauptstadt Doha und leitete für die Hamas die Verhandlungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der israelischen Geiseln. Eine Lösung ist nun weiter entfernt denn je.

Darüber hinaus ist die Attacke auf Hanija in Teheran eine Demütigung der Hamas-Schutzmacht Iran. Das Mullah-Regime wird reagieren, um die Schmach auszuwetzen und den Status als Verteidiger der palästinensischen Sache wiederherzustellen. "Es wird eine harte Bestrafung geben", hat der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, schon angekündigt. Ein iranischer Schlag wird aber eine weitere Vergeltungsaktion Israels auslösen. Die Gefahr eines regionalen Flächenbrandes ist damit so hoch wie nie. Nicht nur der Iran und seine schiitischen Verbündeten Hisbollah und Huthi sowie die Hamas fühlen sich herausgefordert. Auch der türkische Präsident Erdogan hat bereits mit einer Intervention gedroht.

Wohlgemerkt: Keiner der Akteure hat Interesse an einem großen Krieg. Aber das Risiko steigt, dass gemäß dem alttestamentarischen "Auge um Auge, Zahn um Zahn" eine Kaskade der Gewalt entsteht, deren Folgen nicht mehr kontrollierbar sind. US-Verteidigungsminister Austin hat bereits klargemacht, dass Amerika seinen Verbündeten Israel im Falle eines Angriffs verteidigen werde - ein Wink der Abschreckung in Richtung Teheran.

So verständlich die Bemühungen Israels sind, alles zu tun, dass sich das unvorstellbar grausame Massaker der Hamas vom 7. Oktober nicht wiederholt: Der mutmaßliche Doppelschlag von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist ein Spiel mit dem Feuer. Nicht auszuschließen, dass er sich nach den jüngsten Treueschwüren aus Washington zu einer Internationalisierung des Krieges ermutigt fühlt. Er steht innenpolitisch wegen der schleppenden Geiselverhandlungen, des Sicherheitsversagens vom 7. Oktober und des Versuchs einer durchgeboxten Justizreform unter Druck. Ein radikaler Kurs hält seine rechtsextremen Koalitionspartner bei der Stange. Der Krieg zementiert seinen Machterhalt.

Aber mit Tötungen von Hamas- und Hisbollah-Führern sowie Bomben auf Gaza allein wird Israel den Konflikt nicht beilegen können. Die Logik des permanenten Krieges bringt keine Stabilität, geschweige denn Frieden. Ohne ein Angebot der Teilhabe für ein Leben in Würde an die Palästinenser wird sich die Spirale der Gewalt weiterdrehen.

Kein Geringerer als Israels Armeesprecher Hagari sagte kürzlich: "Die Hamas ist eine Idee, die in den Herzen der Menschen verwurzelt ist. Wer glaubt, wir könnten die Hamas ausschalten, der irrt sich." Und: Lege Israel keinen Plan vor, wie der Gazastreifen nach Kriegsende regiert und versorgt werden soll, "werden wir im Endeffekt die Hamas haben". Netanjahu sollte auf ihn hören.

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