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WAZ: Ermittlungen gegen Journalisten: Ein dreister Angriff auf die Pressefreiheit - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Journalisten vorzuwerfen, Geheimnisse zu verraten,
ist ungefähr so plump wie Metzgern entgegenzuhalten, sie wären für 
den Tod von Nutztieren verantwortlich. Natürlich verraten 
Journalisten Geheimnisse, was denn sonst? Allein der Terminus 
Geheimnisverrat ist der schnöde Versuch von Bürokraten und 
Parteipolitikern, mit Sprache Stimmung zu machen. Denn Journalisten 
betreiben keine Spionage im Auftrag einer fremden, oft 
unappetitlichen Staatsmacht. Sie werden dem Aufklärungsinteresse der 
Öffentlichkeit gerecht. Im aktuellen Fall geht es immerhin um die 
Frage, ob die frühere Regierung im Fall Kurnaz skandalös daneben 
gehauen hat.
Bedenklich ist das Staatsverständnis jener Parlamentarier aus dem
Bundestag, die parteiübergreifend das flächendeckende Vorgehen gegen 
Journalisten für richtig halten. Sie beanspruchen nämlich gegen die 
Öffentlichkeit eine abgeschottete Zone für sich, was nichts anderes 
ist als ein hässlicher, obrigkeitsstaatlicher Reflex.
Selbst juristisch ist der Vorgang problematisch. Wenn das 
Zitieren aus vertraulichen oder geheimen Papieren schon "Beihilfe" 
zum Geheimnisverrat sein soll, ließe sich so gut wie jede brisante 
Veröffentlichung damit strafrechtlich verfolgen. Im Übrigen ist noch 
sehr die Frage, ob das neuerliche Vorgehen der Staatsanwälte mit dem 
"Cicero"-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vereinbar ist: Die 
Veröffentlichung von Dienstgeheimnissen reicht demnach ausdrücklich 
nicht aus, um den Vorwurf der Beihilfe zu begründen.
Im Kern handelt es sich, nach einer Reihe ähnlicher Vorgänge, 
wieder einmal um den dreisten Versuch der Einschüchterung von 
Journalisten. Führen wird er nach Lage der Dinge zu nichts. 
Gestandene Journalisten vom Spiegel, der Süddeutschen, (unseres 
Hauses), usw. haben schon längst keine Angst mehr vor wildgewordenen 
Staatsanwälten. Sie würden im Übrigen, selbst wenn es denn 
tatsächlich einmal zu einem Gerichtsverfahren käme, eher in Beugehaft
gehen als einem Richter einen Informanten preiszugeben (schon allein 
für diese neue Story!).
Für Journalisten ist der Schutz von Informanten eines der 
höchsten Güter: Informanten muss man sich vorstellen als mutige 
Menschen; sie riskieren viel. Gerade darum müssen sie sich ganz 
grundsätzlich auf Journalisten verlassen können. Wobei klar ist: Je 
brisanter der Fall, umso mehr ist journalistische Verantwortung 
gefragt. Aber der Job des Journalisten ist es eben gerade nicht, dem 
Staat bei Vertuschung zu helfen.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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