Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: SPD und CDU wollen mehr Geld: Kräftiger Schluck aus der Steuerpulle - Leitartikel von Hendrik Groth
Essen (ots)
Dass den Parteien die Mitglieder abhanden kommen, darüber ist an dieser Stelle schon öfters geschrieben worden. Darüber kann, nein darüber muss man sich Sorgen machen. Alle demokratischen Parteien gleich welcher Couleur sind wesentliche Bestandteile unserer parlamentarischen, repräsentativen Demokratie. Tumbe Parteienschelte ist deshalb fehl am Platze, die Parteien sind eben auch ein Spiegelbild der Gesellschaft.
Sollten aber die Berichte stimmen, dass jetzt Christ- und Sozialdemokraten ihre großkoalitionäre Mehrheit nutzen wollen, um sich kraftvoll die Kassen zu füllen, dieses Vorhaben hätte mehr als einen faden Beigeschmack. Die Große Koalition besitzt seit ihrer Bildung die Möglichkeit, wirklich relevante und notwendige Reformvorhaben gemeinsam mit dem Bundesrat für Deutschland durchzusetzen. Bislang ist in diesem Bereich die Bilanz eher mau, sie wird durch eine gut laufende Konjunktur geschönt. Dass die großen Volksparteien aber in eigener Sache schnell Einigkeit erzielen, ansonsten häufig aber nur zu Formelkompromissen fähig sind, überrascht zwar nicht besonders, falsche Signale werden aber dennoch ausgestrahlt.
Ja, die SPD hatte einmal eine Million Mitglieder, heute ist es knapp die Hälfte. Bei der Union sieht die Entwicklung auch nicht wesentlich besser aus. Daraus jedoch den Umkehrschluss zu ziehen, der Steuerzahler müsse die fehlenden Mitgliederbeiträge ausgleichen, ist vielleicht Ausdruck einer typisch deutschen Mentalität, ist aber im Grunde eine Frechheit. Dabei geht es nicht um die Kosten von Luftballons oder Kugelschreibern, die in Fußgängerzonen fantasiefrei verteilt werden. Das Wahlvolk darf viel mehr davon ausgehen, dass die Parteioberen sich vor allem über ihre Kasse (sprich: ihre Kampagnenfähigkeit) Sorgen machen, nicht aber darüber nachdenken, warum immer weniger Menschen sich einer Partei anschließen wollen.
Hier ist schnelles Umsteuern bitter notwendig. Zwar zeigen andere Demokratien, wie etwa die USA, dass ein Staat weiter funktionieren kann, auch wenn nur eine Minderheit zur Wahl geht. Erstrebenswert ist eine solche Entwicklung mit Sicherheit nicht. Minderheiten wählen Minderheiten, die wiederum nur für Minderheiten Politik machen. Am Ende wachsen Minderheiten Möglichkeiten zu, die für die Mehrheit schwer zu verdauen sind. Anstatt sich mit dem Griff in die Staatskasse sanieren zu wollen, sollten sich die Parteien fragen, was sie, an ihren Mitgliederzahlen objektiv ablesbar, derzeit falsch machen.
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