Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Gerichtsurteile in Madrid: Lehren aus dem Terroranschlag - Leitartikel von Ralph Schulze
Essen (ots)
Die juristische Aufarbeitung des Terror-anschlags vom 11. März 2004 in Madrid brachte viele schmerzhafte Einsichten ans Tageslicht. Lehren, die den 191 Todesopfern jenes mörderischen Morgens in der spanischen Hauptstadt zwar nicht mehr helfen können - auch wenn die Terroristen nun ins Gefängnis wandern. Wohl werden diese Erkenntnisse aber hoffentlich zur Verhütung künftiger Anschläge beitragen.
Die tragischste Erkenntnis aus der dreieinhalb Jahre dauernden Untersuchung des Massakers von Madrid ist zweifellos, dass dieses heimtückische Attentat hätte verhindert werden können. Die spanische Polizei hatte Hinweise auf die Bombenleger nicht verfolgt, Hinweise nicht ernst genug genommen. Auch weil Anti-Terror-Spezialisten fehlten, die die brodelnde Fundamentalistenszene im Land im Auge behielten.
Hinzu kam eine sträfliche Unterschätzung des internationalen Terrorismus seitens des damaligen konservativen Regierungschefs José Maria Aznar. Der zwar den Irak-Feldzug an der Seite von US-Präsident George W. Bush laut trommelnd unterstützte, aber Warnungen der Geheimdienste auf drohende islamistische Racheakte gegen Spanien leichtfertig in den Wind schlug.
Seitdem hat sich in Spanien wie in ganz Europa im Anti-Terror-Kampf viel geändert. Die Zahl der Ermittler wurde allerorten vervielfacht. Die internationale Zusammenarbeit ausgebaut. Die gesetzlichen Ermittlungswaffen der Polizei geschärft, obwohl dies zuweilen mit dem mühsam erkämpften Recht auf Datenschutz der Bürger kollidiert.
Doch die Ergebnisse der verbesserten und engmaschigeren Anti-Terror-Fahndung können sich sehen lassen. Es vergeht kaum ein Monat, in dem es den Sicherheitsbehörden in Europa nicht gelingt, eine Terrorzelle auszuheben und damit einen potenziellen Anschlag zu verhüten.
Das ist beruhigend in einer Zeit, in der die Zahl der gewaltbereiten religiösen Ex-tremisten, die den Terror als legitime Waffe des "Heiligen Krieges" ansehen, nach Einschätzung der westlichen Geheimdienste weltweit im Wachsen begriffen ist.
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