Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Sterbehilfe auf dem Parkplatz Letzte Hilfe Todestourismus - Leitartikel von Petra Koruhn
Essen (ots)
Keine "Suizidwohnungen mehr, keine Hotelzimmer - jetzt geht die Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas auf Parkplätze." Für Eugen Brysch von der Deutschen Hospiz-Stiftung ist der Tod zweier Deutscher, die auf einem Parkplatz bei Zürich starben, Ausdruck der absoluten Würdelosigkeit.
Wie müssen diese Worte in den Ohren der von schwerster Krankheit gezeichneten Menschen klingen, deren Leben nur noch vom Schmerz bestimmt wird. Ein Schmerz, der über alles hinaus geht, was sich ein gesunder Mensch vorstellen kann. Für diese Menschen ist so etwas wie Dignitas die letzte Hilfe, um in Würde zu sterben.
Ethiker wie Palliativmediziner werden Halt rufen. Die einen, weil jede Form der Sterbehilfe an schlimme Zeiten der Euthanasie erinnert. Die anderen, weil sie beteuern, dass Schmerzen dank moderner Medizin nicht sein müssen. Eine effektive Schmerztherapie sei das Rezept gegen die Todessehnsucht - und damit gegen den Todestourismus. Es ist ein schönes Rezept. Allein, es funktioniert nicht in der Wirklichkeit. Was auch daran liegt, dass die Palliativmedizin noch immer ein Stiefkind der Medizin ist, und die Ärzte längst nicht flächendeckend arbeiten können. Was aber auch daran liegt, dass sich die Menschen nicht vorschreiben lassen wollen, dass das, was sie selbst mit "Dahinvegetieren" beschreiben, vom Doktor als "Lebensqualität" bezeichnet wird. Wer die Menschen ernst nimmt, darf den Wunsch nach Sterbehilfe nicht verteufeln.
Diejenigen, die es gewohnt sind, ihr Leben selbst zu bestimmen, wollen diese Entscheidungshoheit auch am Ende ihres Lebens behalten. Hier, in ihrer größten Not, werden sie viel zu oft allein gelassen. Kaum Aufklärung über das, was man tun kann, wenn der Krebs den Körper zerstört. Zu wenig Aufklärung über die großartigen Leistungen, die mittlerweile in den vielen Hospizen vollbracht werden. Wer das alles weiß, ist vielleicht nicht mehr empfänglich für Organisationen, die den Tod verkaufen. Noch aber besteht reges Interesse.
Dignitas hat mit dem Todescocktail auf dem Parkplatz klar provozieren wollen. Weil man sie aus Hotels und Wohngebieten hinauskomplimentiert hat. Auch in der Schweiz (das Verabreichen des Giftmixes ist juristisch schwammig geregelt) sind die Sterbe-Touristen unerwünscht. Was zeigt: Solange der Tod tabuisiert wird, bleibt Sterben in Würde nur Wunschdenken.
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