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WAZ: Die Partner stehen sich fremd gegenüber - Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Die Erosion der Großen Koalition ist beim Übergang
in ihr drittes Jahr besonders deutlich zu sehen. Mittwoch: Abschied 
von Franz Müntefering aus dem Kabinett. Donnerstag: 
Koalitionsgeburtstag in Grabesstimmung. Die Tage zuvor und danach: 
Krach in der Koalition. Ob Mindestlohn, das Schicksal von Hannelore 
Kohl oder Außenpolitik - nahezu jedes Thema scheint geeignet, um 
darüber zu streiten. Ganz offensichtlich entwickelt der Verdruss am 
jeweils anderen eine Eigendynamik, die zu beherrschen immer 
schwieriger wird. Weil Union und SPD einen Bruch der Koalition fast 
gleichermaßen fürchten, kämpfen sie um den öffentlichen Eindruck, das
Bündnis werde in jedem Fall noch zwei Jahre halten. Nichtöffentlich 
aber wird in beiden Lagern beratschlagt, ob und wie man aus diesem 
Bündnisgefängnis ausbrechen könnte.
Der Zustand der Koalition wird in besonderer Weise von Franz 
Münteferings Rücktritt belastet. Viele Sozialdemokraten haben dank 
der katastrophalen rot-grünen Kommunikation erst jetzt erkannt, dass 
die ungeliebten Reformen womöglich nur als ein erster Teil der Agenda
2010 geplant waren. Müntefering stand wie kein anderer Sozialdemokrat
in rot-grünen Zeiten so klar zu den Reformen wie zugleich in 
schwarz-roten Zeiten für einen zweiten Teil der Agenda, für das 
Kapitel Aufschwung: Menschen in Arbeit zu vermitteln, die aber auch 
anständig bezahlt werden soll. Kindern über Bildung dabei zu helfen, 
aus der ererbten Armut zu entkommen. Vor allem durch den Widerstand 
der Union gegen den Mindestlohn fühlt sich die SPD um die Möglichkeit
gebracht zu beweisen, dass sie der Agenda nicht allein 
wirtschaftspolitischen Verstand, sondern auch sozialdemokratisches 
Herz eingebaut haben will. An dieser Stelle wird der Streit mit der 
Union hoch emotional, was sich auch in den Auseinandersetzungen über 
die Außenpolitik ausdrückt.
Die SPD kämpft um die Deutungshoheit über ihre Politik, was in 
der Darbietung nicht schön aussieht. Andererseits weiß man noch immer
nicht genau, welche Politik Angela Merkel verfolgt. Man weiß eher, 
was sie nicht will. Auch deshalb stehen Union und SPD einander nach 
zwei Jahren derart fremd gegenüber, dass wenig Hoffnung auf das 
Notwendige besteht: Die Parteien disziplinieren sich und reden ganz 
pragmatisch darüber, was sie mit ihrer selten großen Mehrheit im 
Bundestag für Wähler noch bewirken können.
Vielleicht muss man ganz pragmatisch erkennen, dass die Koalition
geleistet hat, wozu sie im Stande war.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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