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WAZ: Der Streit um unsere Außenpolitik: Peking, Moskau, Berlin - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Bisweilen scheint Geschichte sich doch zu
wiederholen. Es ist schon bemerkenswert, wie im aktuellen 
außenpolitischen Streit zwischen Union und SPD die alten Muster aus 
der Versenkung auftauchen. Im Verhältnis zwischen den beiden Staaten 
in Deutschland und zur damaligen Sowjetunion setzte die SPD auf 
Dialog und Durchdringung und allmählichen Systemwechsel in den 
Diktaturen. Die Union hielt dies für Leisetreterei und plädierte für 
mehr Profil, also Konflikt. Dies wiederum hielt die SPD für 
schädlich, weil man so gegenüber Diktaturen nichts bewegen könne.
So ist es auch heute wieder. Die SPD setzt im Verhältnis zu den 
(Semi?-) Diktaturen in China und Moskau auf Dialog und 
Zusammenarbeit, die CDU-Kanzlerin empfängt den Dalai Lama und 
kritisiert Moskaus Putin öffentlich. So werde man nichts erreichen, 
kontert die SPD. Alles wie früher schon, vor fast 40 Jahren. Der 
Konflikt reicht mithin viel weiter zurück als es die These nahe legt,
ob Steinmeier die Außenpolitik Schröders über Merkel hinwegretten 
will.
Merkel wie auch Steinmeier könnten gleichwohl denselben Irrtum 
begehen. Vereinfacht gesagt: Russland und China sind groß, viel 
größer als Deutschland. Sie haben ihre eigene Geschichte, die völlig 
anders verlaufen ist als die Deutschlands. Auch die 
geistesgeschichtlichen Traditionen sind gänzlich anders. Die 
Vorstellung, das vergleichsweise kleine Deutschland könnte die Riesen
Russland und China zu einem Systemwechsel bringen, ist bei weitem 
noch weltfremder als die Idee von US-Präsident Bush, die Amerikaner 
seien in der Lage, Demokratie in den Nahen Osten zu bringen.
Russland wie China haben im Kern keine internationalen 
Interessen, sondern nur eigene. Sie wollen auch nicht die Welt 
retten, was sie vom amerikanischen Idealismus unterscheidet. Sie 
wollen vielmehr so stark werden, um dem Rest der Welt ihren Willen 
aufzudrücken. Russland nutzt dabei seine Energiereserven, China seine
schier unerschöpflichen ökonomischen Wachstumsmöglichkeiten. Chinas 
Potenzial ist dermaßen groß, dass es die Entwicklung des 
weltwirtschaftlichen Wachstums (und damit auch der deutschen 
Perspektiven) für die nächsten zehn oder mehr Jahre bestimmen kann. 
Vor diesem Hintergrund wird viel groß Geglaubtes sehr klein.
Aus der Sicht Moskaus wie Pekings betrachtet, hat der Streit 
zwischen Merkel und Steinmeier daher fast schon kabarettistische 
Züge.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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