Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: 2008 - Die Wirtschaft: Das Jahr der Risiken - Leitartikel von Thomas Wels
Essen (ots)
Jetzt also '08. Was wird dieses junge Jahr aus wirtschaftlicher Sicht bringen?
Das Wichtigste: Auch im neuen Jahr schaffen die Unternehmen in Deutschland neue Arbeitsstellen. Einige Branchen wie der Maschinenbau boomen regelrecht. In Dienstleistungsbetrieben und der Zeitarbeit entstehen Jobs und mithin Perspektiven für eine Vielzahl Arbeitsloser. Die Arbeitslosenzahl bewegt sich 2008 stramm auf drei Millionen zu. Viel zu viele, klar, aber im Februar 2006 waren es fünf Millionen.
Und noch eine gute Nachricht: 2008 haben mehr Leute mehr Geld in der Tasche. Die Sozialversicherungsbeiträge sinken, die Gewerkschaften haben ordentliche Lohnerhöhungen durchgesetzt. Und die Teuerungsrate, die 2007 mit 2,2 Prozent an den Zuwächsen gefressen hat, verliert die Zähne. Die Mehrwertsteuererhöhung als Preistreiber Nummer 1 ist der Statistik entwachsen.
Dennoch ist das neue Jahr eines mit besonderen Risiken, und die liegen weniger im Export-bremsenden Dollar-Verfall oder steigenden Energiepreisen. Das größte Risiko ist hausgemacht. Das Wahlkampfgetöse des ausgelaufenen Jahres lässt erahnen: Es tanzt der Holzhammer.
Mindestlohn, Höchstlohn, Gerechtigkeit - das ist der Dreiklang, mit dem die SPD-Strategen pfeifend die Union durchs Land jagen. Solche Forderungen sind legitim, sie sind aber auch gefährlich, wenn sie die Gewerkschaften geradezu zwingen, mit den höchsten Lohnforderungen seit 15 Jahren in Tarifauseinandersetzungen zu marschieren. Von acht Prozent ist die Rede. Wenn sich SPD und Gewerkschaften vor lauter Freude über ihre wiedergefundene Freundschaft weiter so hochjazzen, dann wird 2008 zu einem Wendejahr.
1,5 Millionen neue Stellen seit 2006 - das war auch der besonnenen Tarifpolitik der Gewerkschaften zu verdanken. Jetzt also die Pulle: 2008 mag dann ein gutes Jahr werden für die, die Arbeit haben; es wird ein schlechtes für die, die keine haben. Diese Wende zeichnet sich ab. Auch Mindestlöhne vernichten Chancen, wenn sie zu hoch sind. Eine Gerechtigkeitsdebatte hinkt, die allein die Frage diskutiert, wieviel Ungleichheit im Einkommen eine Gesellschaft aushalten kann. Es fehlt ein Aspekt der Chancen-Gerechtigkeit: Was ist mit den Job-Chancen für Hunderttausende, die ohne Schulabschluss und Ausbildung dastehen?
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