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WAZ: Debatte um Embryoforschung: Mensch oder Material - Leitartikel von Christopher Onkelbach
Essen (ots)
In wenigen Wochen wird der Bundestag über eine Reform des Stammzellgesetzes debattieren. Das Parlament reagiert damit auf den wachsenden Druck aus der Wissenschaft, die bisherigen Einschränkungen bei der Forschung an embryonalen Stammzellen aufzuheben. Und damit kommt erneut ein Thema auf den Tisch, das 2002 nach langem Streit mit einem mühsam erzielten Kompromiss erledigt schien.
Damals einigten sich die Abgeordneten auf ein Gesetz, das zwar die Herstellung menschlicher embryonaler Stammzellen untersagt, jedoch deren Import erlaubt, sofern die Zellen vor dem 1. Januar 2002 im Ausland erzeugt wurden. Dieser Stichtag soll verhindern, dass für die deutsche Forschung fortwährend Embryonen getötet werden. Mit den Jahren aber sei dieses Material veraltet und kaum noch zu gebrauchen, klagen die deutschen Wissenschaftler. Aus Furcht, im internationalen Wettbewerb abgehängt zu werden, fordern sie nun neue Regeln. Die jüngsten Erfolge der US-Wissenschaftler sind da Wasser auf die Mühlen jener, die eine Freigabe der Forschung verlangen.
Warum wird seit Jahren so intensiv über Stammzellen diskutiert? Weil Mediziner große Hoffnungen in diese Zellen setzen, die sich im Labor in jede der nahezu 200 verschiedenen Gewebearten des Menschen verwandeln lassen. Dadurch wird es denkbar, dass sich in ferner Zukunft für bislang unheilbare Krankheiten Ersatzgewebe züchten ließe. Das moralische Problem: Bislang stirbt ein Embryo, wenn man ihm im Alter von wenigen Tagen oder Wochen die begehrten Zellen entnimmt.
Nach dem ganzen Vorgeplänkel scheint es absehbar, dass sich der Bundestag auf eine Verschiebung des Import-Stichtags auf 2007 oder 2008 einigen wird. Damit hätten die Forscher Zugang zu 500 neueren embryonalen Zelllinien, die weltweit vorliegen. Es müssten also nicht eigens neue Embryonen zerstört werden. Das scheint ein Ausweg zu sein, sofern nicht in Kürze eine neuerliche Verschiebung gefordert wird.
Denn in der Stammzellforschung zählen nicht allein die Wünsche der Wissenschaft. Es geht um die Frage, ob menschliches Leben für Forschungszwecke verwendet werden darf. Eine Verschiebung des Stichtags löst das moralische Dilemma nicht auf, könnte jedoch die Debatte befrieden. Und der Ball liegt dann im Feld der Forschung: Die Wissenschaftler müssen beweisen, ob ihre Visionen realisierbar sind. Denn so verlockend diese auch sein mögen, die moralische Verpflichtung zum Schutz des Lebens dürfen sie nicht aushebeln.
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