Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Spahn, Renten, Senioren-Union - Angst vor den Alten. Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Jens Spahn schweigt. Wie Jürgen Rüttgers. Oder
Angela Merkel. Oder Norbert Lammert. Sie alle haben dasselbe: Angst. 
Sie fürchten den Zorn der Grauen. Und kapitulieren vor der 
Meinungsfreiheit.
Was ist passiert? Morgen beschließt die Große Koalition, den 
Riester-Faktor bei der Rente auszusetzen, damit die Renten nicht nur 
um ein halbes Prozent, sondern um ein Prozent steigen können. Jens 
Spahn findet diese Entscheidung schlecht. Er hat das auch gesagt: 
"Das Wahlgeschenk an die Rentner kostet die Jungen mittel- und 
langfristig viel Geld." Ökonomen geben dem jungen 
CDU-Bundestagsabgeordneten Recht, haben ausgerechnet, dass diese 
Rentenerhöhung außer der Reihe bis 2012 circa 13 Milliarden Euro 
kostet. Geld, das die Erwerbsbevölkerung aufbringen muss.
Nun gibt es in der CDU die Senioren-Union, und der hat es nicht 
ausgereicht, Spahn zu widersprechen. Hinzuweisen auf die 
Aufbauleistung der Älteren nach dem Krieg, oder die gewachsene 
Kinderlosigkeit der Jungen, oder Rentenkürzungen in der Vergangenheit
oder die Ungerechtigkeit, dass Löhne endlich wieder steigen, Renten 
aber nicht, oder die inzwischen wieder dreiprozentige Inflation, die 
sowieso alles wegfrisst. Die Senioren-Union hat vielmehr angekündigt,
alles zu tun, damit Spahn in seinem Wahlkreis Borken nicht wieder 
aufgestellt wird. Und sollte das doch passieren, will die 
Senioren-Union dazu aufrufen, Spahn die Erststimme zu verweigern. 
Wegen eines durchaus vergleichbaren Vorgangs will die SPD gerade 
Wolfgang Clement rauswerfen. Die Senioren-Union handelt unsouverän, 
undemokratisch, erschreckend. So erschreckend wie der Umstand, dass 
niemand Spahn beisteht. Nicht der NRW-Landesvorsitzende, der ja wohl 
doch auch der Landesvorsitzende der Senioren-Union ist. Nicht die 
Parteivorsitzende, obwohl dies ein Fall von wirklich grundsätzlicher 
Bedeutung ist und man, wenn man einem Großverein wie der CDU 
vorsteht, schon mal klarstellen sollte, was innerparteiliche 
Demokratie heißt. Nicht der Bundestagspräsident, der das Bedürfnis 
verspüren könnte, sich schützend vor einen Abgeordneten zu stellen.
Die Älteren werden mehr. Heute ist jeder dritte Wähler älter als 
60 Jahre. In der CDU wird nächstes Jahr, wenn gewählt wird, jedes 
zweite Mitglied die 60 überschritten haben. Ganz gewiss wird die 
Rentenpolitik einer der ganz großen Streitfälle in Deutschland 
bleiben. Unstreitig sollte aber auch für die CDU die blanke 
Selbstverständlichkeit sein, dass man seine Meinung dazu sagen darf. 
Ohne persönlich bedroht zu werden.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 06.04.2008 – 21:05

    WAZ: Bespitzelung und Geschäft. Kommentar von Wilfried Beiersdorf

    Essen (ots) - Die Bespitzelungsaffäre beim Discounter Lidl (und offenbar auch bei anderen Firmen) hat auch ihr Gutes. Sie hat eine grundsätzliche Diskussion darüber ausgelöst, wie Unternehmen mit ihren Kunden und Mitarbeitern umgehen. Und sie bringt auch ein paar Informationen über eine Branche an den Tag, die von Berufs wegen am liebsten unsichtbar ist: Die Detektive leben recht gut vom ...

  • 04.04.2008 – 19:44

    WAZ: NRW-SPD in Schwierigkeiten - Knieschüsse aus Berlin - Leitartikel von Ulrich Horn

    Essen (ots) - Vor ein paar Wochen noch sah es so aus, als könnten die Delegierten der NRW-SPD mit großer Zuversicht zu ihrem Parteitag reisen, der heute in Düsseldorf stattfindet. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers schien in der Defensive. Unmut in Schulen und Kindergärten, Sorgen um den Bankenplatz NRW mit Problemen bei WestLB und IKB, unübersehbare ...

  • 04.04.2008 – 19:41

    WAZ: Deutsche Ausbilder in Libyen - Sicherheitsproblem - Leitartikel von Rolf Potthoff

    Essen (ots) - Was treibt sie an? Zu geringe Bezahlung daheim? Unbefriedigende Karrierechancen? Oder ist es die reine Abenteuerlust, die deutsche Elitepolizisten privat als Ausbilder von libyschen Sicherheitskräften ans Mittelmeer lockt? Jedenfalls haben sie dort rein gar nichts zu suchen. Unionsfraktionsvize Bosbach formuliert es noch höchst diplomatisch, ...