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WAZ: Das neue BKA-Gesetz - Balance von Vertrauen und Misstrauen - Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Auch wenn das Vertrauen in die Demokratie in
Deutschland geringer wird, hat diese Demokratie immerhin ein 
Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Bürgern hervorgebracht. Mit 
der Ankündigung einer Volkszählung kann man anders als vor 25 Jahren 
kaum noch jemanden erschrecken. Im Gegenteil. Die meisten Menschen 
gehen im Internet vollkommen sorglos mit ihren Daten um. Viele finden
sogar Gefallen daran, Privates zu entblößen. Der Staat wird nicht 
mehr als überwachende Obrigkeit wahrgenommen.
Ob dieses Vertrauensverhältnis aber auf Gegenseitigkeit beruht, 
ist eine existenzielle Frage für den Staat und seine Bürger. Was 
passiert, wenn die Balance zwischen gesundem Misstrauen und gesundem 
Vertrauen gestört wird, hat die Republik durch die Abhöraffären bei 
VW und Telekom erfahren und bestürzender noch durch die 
Bespitzelungsskandale bei Lidl und Aldi. Auf einmal wurde 
Westdeutschen und jüngeren Ostdeutschen am Beispiel unbescholtener 
Angestellter, deren Gespräche und Toilettenbesuche protokolliert 
worden waren, sehr bewusst, wie tief Überwachung verstören und 
verletzen kann. Erstens. Und zweitens wurde bewusst, dass 
offensichtlich das Bedürfnis zu Überwachen keine Spezialität der DDR 
gewesen ist.
Wenn Misstrauen in Kontrollsucht umschlägt, zerstört es 
Vertrauen. Was bleibt, ist Misstrauen auf beiden Seiten. Bei dem 
neuen BKA-Gesetz, das im Bundestag gestern mit einiger Leidenschaft 
debattiert wurde, geht es nicht allein um die Abwägung von Freiheit 
und Sicherheit in Zeiten terroristischer Bedrohung. Es geht auch um 
die Frage, die in drastischen Formulierungen der Opposition wie 
"Super-Spitzel-Behörde" oder "geheime Staatspolizei" aufschien: Wird 
die Balance zwischen Misstrauen und Vertrauen gehalten?
Grundlegend für diese Balance ist die Überwachung der Überwacher.
Bei dem unbehaglichsten Teil des Gesetzentwurfs, den 
Online-Durchsuchungen, hat der Vorsitzende des Deutschen 
Richterbundes, Christoph Frank, bereits größte Bedenken geäußert, 
weil das BKA selbst entscheiden dürfe, wann eine richterliche 
Überprüfung geboten sei. Frank glaubt nicht, dass dieses Verfahren 
den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht.
Mit dieser Kritik muss sich die Große Koalition gründlich 
befassen. Sollte wieder erst das Bundesverfassungsgericht das 
Persönlichkeitsrecht verteidigen müssen, wäre das nicht nur ein 
blamabler, sondern ein misstrauensbildender Akt.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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