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WAZ: SPD vor Superwahljahr - Wenig Zeit für den Neuanfang - Leitartikel von Ulf Meinke

Essen (ots)

Putschgerüchte, Durchhalteparolen,
Solidaritätsappelle - für die SPD ist der Ausnahme- zum Normalzustand
geworden. Mit Leichtigkeit lassen sich die Auftritte der 
Führungsspitze zum Fernduell stilisieren: Parteichef Beck beim 
Landesparteitag in Berlin, sein Vize Steinmeier in Hannover - das 
liefert Stoff, mit dem sich der Machtkampf des rechten und linken 
Parteiflügels illustrieren lässt.
Beck sagt, er werde "nicht hinter den Baum gehen, weil es da 
bequemer ist". Soll heißen: Beck will SPD-Chef bleiben. Steinmeier 
sagt, die SPD müsse die "kleinlichen Streitereien" unterlassen. Der 
Diplomat im Parteidienst dürfte wissen, dass Putsch-Gerüchte einen 
souveränen Verzicht des SPD-Chefs auf die Kanzlerkandidatur 
erschweren. Solidarität ist zumindest offiziell noch eine 
sozialdemokratische Tugend.
Doch längst steht die Frage im Raum, ob Beck als Vorsitzender 
noch zu halten ist, wenn Steinmeier als Herausforderer von 
Bundeskanzlerin Merkel (CDU) ins Rennen geht. Bei vielen 
reformorientierten Genossen ist der Vize mindestens im Kopf, wenn 
nicht gar im Herzen die Nummer eins. Manche linke Sozialdemokraten 
träumen dagegen von einem Kanzlerkandidaten Klaus Wowereit, Berlins 
Bürgermeister. Gerade diese Zerrissenheit macht die Schwäche der SPD 
aus. Sie ist eine Partei mit gespaltener Persönlichkeit geworden - 
hin und her gerissen zwischen Regierungsverstand und 
Oppositionsgefühl.
Parteichef Beck bezeichnet seine Arbeit als ein Unterfangen, das 
"nicht immer vergnügungssteuerpflichtig" sei. Doch ein Vorsitzender, 
der Mitleid verlangt, hat längst verloren. Wähler wollen keine 
Politiker, die permanent über sich selbst reden (müssen). Sie wollen 
Regierungen, die ihre Arbeit gut machen, sprich: die Probleme der 
Menschen lösen. Der Zeitgeist spricht eigentlich für Themen, die 
traditionell bei der SPD verortet wurden. In der Globalisierung 
suchen die Bürger etwas, das ihnen Halt gibt: soziale Sicherheit. 
Aber das Gefühl von Sicherheit entsteht nur durch Verlässlichkeit. 
Und davon hat die SPD derzeit zu wenig zu bieten.
"Wir können Wahlkampf" - das ist einer dieser Sätze, mit denen 
Ex-Parteichef Müntefering seine Genossen in der Vergangenheit 
aufgebaut hat. 2009 steht wieder einmal ein Superwahljahr bevor. Es 
geht um vier Ministerpräsidenten, das Europaparlament, den 
Bundespräsidenten, acht Kommunalwahlen, den Bundestag und die 
Kanzlerschaft. Viel Zeit für einen Neuanfang bleibt der SPD also 
nicht.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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