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WAZ: Attentat und Entführungen - Schwere Krise in der Türkei. Leitartikel von Gerd Höhler

Essen (ots)

Fast scheint es so, als habe sich alles gegen den
türkischen Ministerpräsidenten Erdogan verschworen. Für die türkische
Regierung könnte das Attentat auf das amerikanische Konsulat in 
Istanbul dabei besondere politische Brisanz entwickeln.
Schon nach den blutigen Anschlägen islamistischer 
Selbstmordattentäter vom November 2003 versuchten manche, dem 
gewendeten Fundamentalisten Erdogan eine moralische Mitverantwortung 
für den Terrorakt anzulasten. Sollte sich nun herausstellen, dass 
wieder Attentäter aus Fundamentalisten-Zirkeln am Werk waren, wäre 
das jetzt, auf dem Höhepunkt des Machtkampfs in der Türkei, ein 
gefundenes Fressen für Erdogans Gegner.
Ohnehin steht das innenpolitische Barometer auf Sturm: Erdogan 
kämpft um sein politisches Überleben. Das Verfassungsgericht in 
Ankara verhandelt zurzeit über ein Verbot seiner 
islamisch-konservativen AK-Partei. Der türkische Generalstaatsanwalt 
will sie wegen angeblicher "Aktivitäten gegen die säkulare 
Staatsordnung" verbieten und Premier Erdogan sowie weiteren 70 
Regierungspolitikern für fünf Jahre jede parteipolitische Betätigung 
untersagen lassen. Ein Verbot der Regierungspartei, die im Sommer 
2007 mit 47 Prozent der Wählerstimmen bestätigt wurde, könnte die 
Türkei in eine Staatskrise stürzen - wenn die nicht längst da ist: In
der vergangenen Woche wurden in mehreren türkischen Städten 21 
Regierungsgegner festgenommen. Sie sollen der Untergrundorganisation 
"Ergenekon" angehören, die angeblich mit inszenierten Massenprotesten
und Mordanschlägen einen Militärputsch provozieren wollte.
Unter den Festgenommenen, die in Untersuchungshaft sitzen, sind 
auch zwei ehemalige Vier-Sterne-Generäle - das hat es in der 
Geschichte der türkischen Republik noch nicht gegeben. Damit spitzt 
sich der Machtkampf Erdogans mit der kemalistischen Elite und den 
Militärs dramatisch zu.
Während die Ermittler zu klären versuchen, ob es Zusammenhänge 
zwischen dem Blutbad vor dem Istanbuler US-Konsulat und der 
"Ergenekon"-Verschwörung gibt, rückt die Entführung der drei 
deutschen Bergsteiger den gefährlichen Krisenherd in der türkischen 
Kurdenregion wieder ins Blickfeld. Die Entführung der drei Deutschen 
bringt Erdogan zusätzlich in Bedrängnis: Seine eher zögerlichen 
Versuche, den seit Jahrzehnten ungelösten Kurdenkonflikt zu 
entschärfen, haben bisher wenig Früchte getragen - aber dem Premier 
zusätzliches Misstrauen der Militärs eingebracht.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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