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WAZ: Sommerpause der Koalition - Taktische Rücksichtnahme. Leitartikel von Norbert Robers

Essen (ots)

Es gehört zum guten Ton in Deutschland, dass wir
auch eine vergleichsweise gute Lage schlecht reden. Dass wir das 
Ideal vor Augen haben und uns fragen, warum die politische Elite in 
Berlin mal wieder daran gescheitert ist, uns diesem Ziel innerhalb 
von drei Jahren entscheidend näher zu bringen. Dass selbst Fakten wie
die Senkung der Lohnnebenkosten, der Rückgang der Arbeitslosigkeit 
und die bevorstehende Sanierung des Haushalts mit dem lapidaren 
Urteil beiseite geschoben wird: Glück gehabt, die Koalition redet die
Lage schön.
Nun besteht keineswegs Anlass zur Euphorie: In der Bildungs-, der
Familien- und in der Gesundheitspolitik, beim Umweltschutz bis hin zu
einer Vereinfachung des Steuerrechts gibt es nach wie vor großen 
Reform- und Verbesserungsbedarf. SPD und CDU, hin- und hergerissen 
zwischen parteipolitischer Profilsuche und partnerschaftlicher 
Rücksichtnahme, ächzen unter der Last der Aufgaben und der 
Verantwortung. Und doch bewegen sie sich, wenn auch langsam. Viel 
Zeit bleibt ihnen nicht mehr, denn spätestens mit der Ausrufung des 
nächsten SPD-Kanzlerkandidaten im Herbst werden die Scharmützel 
zwischen Schwarz und Rot an Schärfe gewinnen.
Wobei sowohl die SPD als auch die Union weiß, dass sie nicht 
allzu heftig aufeinander einprügeln dürfen. Aus zwei Gründen. Erstens
würde ein solches Gebaren viele Wähler dazu bringen, sich von beiden 
Parteien gleichermaßen abzuwenden: Partnern, die sich gegenseitig 
schlecht machen, ist nicht zu trauen. Zweitens spricht einiges dafür,
dass es nach der Bundestagswahl 2009 zu einer Koalitions-Neuauflage 
kommen könnte. Da macht es sich nicht gut, das Klima im Vorfeld zu 
vergiften.
Wenn Bundeskanzlerin Merkel und SPD-Generalsekretär Heil jetzt 
betonen, dass eine Fortsetzung des SPD-CDU-Bündnisses kein Traumziel 
sei, dann darf man dies getrost als Floskel und 
Selbstverständlichkeit abhaken. Für die Sozialdemokraten kommt 
erschwerend hinzu, dass sie auch in der zweiten Koalitions-Halbzeit 
wieder nur der Juniorpartner wären. Keine schöne Aussicht, zumal der 
Druck von links steigt.
Dass Union und FDP gemeinsam die Mehrheit gewinnen, ist unter den
neuen Gegebenheiten eines Fünf-Parteien-Systems zumindest fraglich. 
Und was spricht in diesem Fall dafür, dass sich ein Dreier-Bündnis, 
an dem die Liberalen und Grünen beteiligt sind, als Hort der 
Zielstrebigkeit erweist? Eine Fortsetzung der Großen Koalition kann 
kein Ziel sein - aber auch kein Grund für ein Katastrophen-Szenario.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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