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WAZ: China zensiert die Medien - Armutszeugnis der IOC-Führung - Leitartikel von Hans-Josef Justen

Essen (ots)

Olympischer Geist kündet von Freiheit,
Weltoffenheit, Völkerverständigung. Doch was von führenden 
Funktionären in Sonntagsreden an goldigen Worten heraus posaunt wird,
verkümmert in der grauen Wirklichkeit zum ganz gemeinen verbalen 
Blech. Und China, der nächste Gastgeber des spektakulären 
Fünf-Ringe-Gerangels, demonstriert auf unerträgliche Weise, dass es 
sich beim größten Sportfest der Welt keineswegs um ein Spiel ohne 
Grenzen handelt. Ein Großteil jener Kritiker, die den 
rücktsichtslosen Machtmissbrauch und die permanenten 
Menschenrechtsverletzungen der politischen Elite öffentlich 
angeprangert haben, ist eingekerkert worden. Die erhitzte Empörung 
über inhumane Verhältnisse in Tibet wurde auf Sparflamme 
heruntergefahren, und falls sich die 25 000 Berichterstatter aus 
aller Welt während Olympia per Internet über den außersportlichen 
Alltag informieren wollen, klicken sie nur leere Seiten an. Denn die 
chinesische Obrigkeit hat strengste Zensur verfügt, weil sie mehr 
verheimlichen als offenbaren will.
Doch das ist lediglich die eine Seite des Skandals, der in weit 
stärkerem Maße vom Internationalen Olympischen Komitee verantwortet 
werden mus. Von seinem eher introvertierten Präsidenten Jacques 
Rogge, von dessen Stellvertreter, dem designierten Nachfolger Thomas 
Bach, der sich in seinem grenzenlosen Ehrgeiz davor hütet, sich seine
Chancen mit taktischen Fehltritten zu verbauen. Entweder sagt er nur 
Unverbindliches, oder er schweigt. Ein Aussitzer ohne Profil, ohne 
mitreißendes Charisma, ohne bestimmende Deutlichkeit.
Dass die Chinesen rabiat diktieren, dass sie anordnen und 
zugleich zensieren, was ab übernächsten Freitag in ihrer Haupstadt 
abgeht, ist ein Armutszeugnis für Rogge, für Bach. Für die 
Führungsriege, die sich nicht ungern als "Herren der Ringe" 
bezeichnen lässt, die jedoch gegenüber China in fast allen relevanten
Fragen eingeknickt ist wie schwächelnde Weichmänner.
Diese duckend-demütige Haltung ist nicht zu verstehen und nicht 
zu begreifen. Denn die Olympischen Spiele sind hundertprozentiges 
Eigentum des IOC, das sämtliche Rechte vermieten und vermarkten kann.
Und der Veranstalter - wie China - ist lediglich Untermieter, 
ausführendes Organ. Dass die Chinesen den Herren Bach und Rogge 
jedoch auf der Nase herumtanzen, dass sie sich nicht an feste und 
vertraglich fixierte Vereinbarungen halten, dass sie sogar vorgeben 
was sie von Pressefreiheit und Offenheit halten, zeugt von der 
Schwäche der IOC-Oberen. Sie lassen zu, dass Peking zur gewaltigen 
Täuschung wird.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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