Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Die Lage in der NRW-SPD - Es fehlt an Führungsstärke. Leitartikel von Peter Szymaniak
Essen (ots)
Die Grundregeln der Politik sind so einfach wie hart: Wer ein ganzes Land führen will, muss zunächst einmal Führungsstärke in seiner eigenen Partei beweisen. Das Ausschluss-Urteil für den Agenda-2010-Reformer Wolfgang Clement ist nicht nur inhaltlich für die SPD fatal, sondern beschädigt die Autorität der NRW-SPD-Chefin und künftigen Spitzenkandidatin Hannelore Kraft - knapp zwei Jahre vor der Landtagswahl.
Mit dem reinen Verweis auf die juristischen Regeln in einer Branche des Mauschelns und Tricksens wird Kraft den öffentlichen Eindruck nicht beseitigen, sie habe die Zuspitzung des Konfliktes nicht verhindert, vielleicht sogar billigend in Kauf genommen, um die Gegner der Agenda-2010 und die Clement-Hasser des linken Parteiflügels zu beruhigen.
Die politische Seiteneinsteigerin aus Mülheim, erst seit 1994 in der Partei, ist fleißig, inhaltlich kompetent, persönlich sympathisch und glaubwürdig. Doch sie lenkt die Partei zu wenig, lässt sich von der linken Basis aufs Glatteis führen. Eine denkbare Machtoption mit der Linkspartei offen anzukündigen, musste als Linksruck und Zeichen der Schwäche wirken. Der Schul-Reformplan hin zur Gesamtschule für alle fiel radikaler aus, als es Kraft ursprünglich wollte und es taktisch geboten ist. Die CDU kann nun Wahlkampf machen mit dem Motto: Die SPD nimmt Euch die Gymnasien weg - was auch die SPD-nahe Mittelschicht nicht will.
Und auf diese Mittelschicht kommt es an: Für sie ist eine SPD wählbar, wenn sie sich als eine Partei des Fortschritts, der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit präsentiert. Aber ausgerechnet die frühere Unternehmensberaterin und Wissenschaftsministerin Kraft ließ es zu, dass die einst so wirtschaftsfreundliche, fortschritts-orientierte NRW-SPD öffentlich nur noch als linker Kampfverband für die Mühseligen und Beladenen wahrgenommen wird: Mindestlöhne, mehr Frühverrentungen, gegen Steuerentlastungen für Unternehmer.
Schuld an solch wählerschädlicher Verengung ist nicht Kraft allein, sondern die gesamte NRW-SPD. Zu wenige unterstützen Kraft aktiv, zu viele denken an ihre eigene Karriere. Prominente Köpfe haben sich nach Berlin oder auf lukrative Wirtschaftsposten verabschiedet. Es fehlen junge Querdenker, die sich was trauen. Die NRW-SPD benötigt in ihrer Krise nicht weniger Clement, sondern mehr, um für viele wählbar zu sein.
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