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WAZ: Die Bundeswehr in Afghanistan - Verunsichert und ratlos - Leitartikel von Norbert Robers

Essen (ots)

Seit mehr als sechs Jahren sind deutsche Soldaten in
Afghanistan stationiert. Sie bauen Brunnen, planieren Straßen - und 
kämpfen gegen die Taliban. Die Erfolge müssen nicht herbeigeredet 
werden, sie sind sichtbar. Millionen Kinder gehen zur Schule, die 
Frauen genießen zumindest in Ansätzen Gleichberechtigung, die 
Mehrheit der Bevölkerung hat erstmals die Chance, einen Arzt zu 
Gesicht zu bekommen. All das ist nicht allein, aber eben auch ein 
Verdienst der Bundeswehr. Ein Hauch von Stolz, wenngleich diese 
Kategorie in militärischen Zusammenhängen äußerst sparsam bemüht 
werden sollte, wäre durchaus berechtigt.
Die Debatte verläuft aber völlig anders. Noch immer reagieren die
Deutschen erschreckt bis geschockt, wenn sie erfahren, dass die 
Bundeswehr-Soldaten in Gefechte verwickelt werden, in Sprengfallen 
geraten oder ihr Leben verlieren. Es hat nichts mit mangelndem 
Respekt oder Gefühlskälte zu tun, wenn man dieser Reaktion folgende 
Thesen gegenüberstellt: 1. Die Bundeswehr beteiligt sich an einem 
Krieg gegen Extremisten. Entsprechend muss man jeden Tag mit 
schlechten Nachrichten rechnen. 2. Vor diesem Hintergrund wäre es 
schlicht naiv, zu glauben, dass sich die Bundeswehr aufgrund der 
Verluste zurückzieht.
Eine ganz andere Frage ist es, wie die Generäle und das 
Verteidigungsministerium den Soldaten und der Bevölkerung diesen 
Einsatz "verkaufen". Die oberste Pflicht in diesem Zusammenhang 
lautet: Ehrlichkeit.
Ein Abzug würde die bisherigen Erfolge der Bundeswehr entwerten 
und das Land ins Chaos stürzen - der Einsatz wird sich, realistisch 
betrachtet, noch mindestens ein Jahrzehnt hinziehen. Und wann beginnt
endlich die eigentlich wichtige Debatte, die Debatte über die 
deutschen Interessen und Pflichten im Ausland? Warum schickt der 
Bundestag tausende Soldaten ins Kosovo, in den Kongo und nach 
Afghanistan?
Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt: 
Dieser eine Satz, mag er auch stimmen, reicht längst nicht mehr als 
Begründung aus. Gedanklich hat die Mehrheit der Deutschen noch immer 
das Bild einer Bundeswehr vor Augen, die die Landesverteidigung 
sicherstellt. Gleichwohl weiß jeder, dass die Welt sich verändert hat
- gibt es also eine neue verteidigungspolitische Strategie? 
Möglicherweise der Anti-Terror-Kampf? Und danach?
Viele Soldaten sind verunsichert, viele Bürger sind mal fassungs-
und mal ratlos. Das macht die Afghanistan-Mission nicht einfacher.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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