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WAZ: Zum Kongress der Philosophen - Wir brauchen Denker - Leitartikel von Christopher Onkelbach

Essen (ots)

Wofür brauchen wir Philosophen? Wir benötigen
Maschinenbauer, Elektrotechniker, Logistiker, IT-Spezialisten, 
Mediziner! Die Wirtschaft klagt, dass zehntausende Ingenieurstellen 
unbesetzt sind. Hat irgendjemand nach Philosophen gerufen? In Zeiten,
da Studienleistungen nach Credit Points berechnet werden, wo 
Verwertbarkeit des Wissens gefragt ist und Ideen produktfähig sein 
sollen, haben es die Muße benötigenden Denker schwer.
Wir brauchen Philosophen. Sie zeigen, dass das Leben mehr ist als
es zu Geld zu machen. Die Philosophie fragt nach der Position des 
Menschen in der Welt, in der Gesellschaft, in ganz bestimmten 
Lebenslagen. Sie gibt Antworten auf Fragen, die keine andere 
Wissenschaft lösen kann. Was ist gut, was ist böse, was ist 
Gerechtigkeit, was ist der Sinn des Lebens? Konkreter: Die Biologie 
erforscht alles Lebendige, gibt aber keine Antwort darauf, wann und 
ob ein Lebewesen getötet werden darf. Die Rechtswissenschaften 
untersuchen, was dem Gesetz entspricht, doch was in einem Gesetzbuch 
stehen soll, übersteigt ihren Rahmen. Noch konkreter: Wo sehen wir 
die Grenzen der Gentechnik? Wie regeln wir die Sterbehilfe? Was ist 
Menschenwürde? Was sind unsere Maßstäbe im Umgang mit der Natur, mit 
der Technik? All dies sind philosophische Fragen, die jeden 
betreffen.
Wir brauchen Philosophen. Denn in einer Welt, die stetig 
komplizierter wird, ist Orientierung nötiger denn je. In vielen 
Lebensfragen lösen sich tradierte Gewissheiten auf - in der 
Erziehung, in der Partnerschaft, im Glauben und auch in der 
Wirtschaft. Unternehmensethik unter den Bedingungen der 
Globalisierung ist ein Feld für Philosophen. Das Verdienst des 
Essener Kongresses ist es, nach dem Nutzen der Philosophie für den 
Menschen zu fragen und das Wissen dorthin zu tragen, wo schon 
Sokrates seine Vorlesungen hielt: auf den Marktplatz. Und mitten im 
Leben finden Philosophen heute ihre Aufgabe: als Unternehmensberater,
in der Werbung, den Medien, im Tourismus, in der Bildung, in 
Verlagen.
Wir brauchen Philosophen. Denn sie hinterfragen Dinge, die uns 
selbstverständlich erscheinen. "Die Gedanken sind frei", "Die Welt 
ist, was sich im Universum befindet", "Wahrheit ist, was wir 
erkennen". Das Befragen solcher "Wahrheiten" ist das Thema der 
Philosophie. So fing alles an, in der Antike, als der Mensch sich 
denkend löste von Mythen und Göttern und dem stillen Glauben die 
fragende Vernunft beiseite stellte. Aufklärung ist bis heute das 
Kerngeschäft der Philosophie. Was es dazu braucht? Nur Neugierde. 
Aristoteles sagte: Staunen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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