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WAZ: Nobelpreis an Paul Krugman - Ohrfeige für die Lehrstuhl-Ökonomie. Leitartikel von Claus Leggewie, Leiter des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen
Essen (ots)
Dass der politische Ökonom den Nobelpreis für Wirtschaft bekommt, ist eine verdiente Ohrfeige für die etablierte Wirtschaftswissenschaft. Die Lehrstuhl-Ökonomie ist durch die aktuelle Banken- und Börsenkatastrophe ebenso blamiert wie die Banker und Börsianer, die uns diesen Schlamassel eingebrockt haben; und als TV-Experten auftreten, als hätten sie nicht vor wenigen Wochen auf jenen Staat geschimpft, den sie nun als Krisenmanager rufen.
Wer Paul Krugman vor kurzem in Essen erlebt hat - das KWI hatte ihn mit der WAZ zur Diskussion seines neuen Buches in die Philharmonie eingeladen -, erlebte keinen schroffen Anti-Kapitalisten. Aber hier sprach, ironisch und gelassen, der Wirtschaftskenner, der sah, wie Wall Street und der Bush-Administration das Ruder aus den Händen geglitten war. Und der sich gegen den Konsens seiner Zunft und scharfe Angriffe von rechts nicht scheute, diese marktradikale Strategie als politisch, genauer: rechts(-radikal) motiviert herauszustellen. Als Klassenkampf von oben.
Das heißt für Krugman nicht, dass er den Staat über alles lobte. Im Gegenteil. Für ihn muss die Wirtschaft sich selbst heilen, und dazu braucht man eine an der Wirklichkeit ausgerichtete Wissenschaft und eine an den Menschen orientierte Wirtschaft. Hoffen wir mit Krugman, mit dem wir einen lebhaften Abend verbringen durften, dass die gegenwärtige Krise eine Chance in sich birgt. Und die Herolde des freien, alleskönnerischen Marktes einmal so lange, pardon: den Schnabel halten, bis sich alternative Wirtschaftskonzepte wieder Gehör verschaffen. Klimainvestitionen, also Ausgaben für die Eindämmung der noch abwendbaren Klimafolgen und für erneuerbare Energien, wären vor 20 Jahren eine weitsichtige Alternative zu dem Kasino gewesen, dessen Ende wir jetzt erleben.
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