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WAZ: Die SPD hat Vorteile, weil . . . . . . Solidarität noch etwas zählt - Leitartikel von Lutz Heuken
Essen (ots)
Menschen, die nie in linken Organisationen waren (zählen wir die SPD mal dazu), argumentieren gern, das harte Vorgehen der Partei gegen Clement werfe ein schlechtes Licht auf die Meinungsfreiheit bei den Sozialdemokraten. Will heißen: Die SPD habe Clement für seine wirtschafts- und atomfreundliche Haltung abstrafen wollen. Ein solcher neoliberaler Freigeist passe halt nicht in die SPD.
Letzteres mag zwar stimmen, hat aber mit dem Ausscheiden des ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten wenig zu tun. Clement wurde von der Partei nicht gerügt, weil er anderer Meinung ist als die Mehrheit. Er wurde gerügt, weil er mit seinen Anti-Ypsilanti-Ausfällen gegen zwei Ur-Tugenden verstoßen hat, die der SPD nahezu heilig sind: Solidarität und Disziplin.
Solidarität und Disziplin - für viele Außenstehende mögen die Begriffe allzu altmodisch klingen. Doch Solidarität und Disziplin sind Tugenden, ohne die die SPD Unterdrückung und Verfolgung im Kaiserreich und unter den Nazis nicht überlebt hätte. Auch wenn die Zeiten heute andere sind - viele Sozialdemokraten gerade an der Basis haben diese Ur-Tugenden quasi mit der Muttermilch eingesogen. Verstöße werden deshalb auch mit einer Rigorosität verfolgt, die anderen Parteien fremd ist. Das wusste auch der Sozialdemokrat Clement.
Auch ohne Clement wird in der SPD weiter gestritten werden über die Wirtschaftspolitik, über den Atomausstieg und - besonders leidenschaftlich - über den Umgang mit der Linkspartei. Linke gegen Rechte - wie so oft in der Geschichte der SPD. Welche Richtung sich durchsetzen wird, ist offen. Die SPD und Wolfgang Clement gehen künftig getrennte Wege. Beide werden es verkraften.
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