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WAZ: Wechsel des EU-Vorsitzes - Auf den Tausendsassa folgt der Verächter - Leitartikel von Knut Pries

Essen (ots)

Der halbjährliche Schichtwechsel in der Europäischen
Union ist normalerweise keine aufregende Sache. Bei der Übergabe des 
EU-Vorsitzes von Paris an Prag ist das anders. Auf das 
Gründungsmitglied Frankreich, unter Führung des Tausendsassas Nicolas
Sarkozy, folgt ein Jungmitglied, das im EU-Verbund bis heute 
fremdelt. Sein oberster Repräsentant, der Präsident Vaclav Klaus, ist
ein offener EU-Verächter.
Kein Wunder, dass namentlich in der französischen Presse die 
Frage erörtert wurde, ob man es überhaupt wagen könne, in 
Krisenzeiten die gemeinsame Organisation so unsicheren Kantonisten 
anzuvertrauen. Sarkozy selbst hat dazu gesagt: "Aber sicher".
Der russisch-georgische Krieg im August und der anschließende 
Finanz-Crash machten die zweite Hälfte 2008 zur "Sarko-Show". Sarkozy
hetzte die Kollegen von Krisengipfel zu Krisengipfel und verhinderte,
dass die EU auseinander driftete. Was immer man gegen den Aktionisten
im Elyse´e sagen kann - in dieser Lage zeigte er, dass er mehr ist 
als ein Angeber und Schaumschläger.
Als solcher ist er vor allem da verdächtig, wo der konträre 
Politikstil gepflegt wird: In Angela Merkels Kanzleramt hängt der 
Widerwillen gegen den eitlen Franzosen wie Zigarrenrauch in den 
Gardinen. Nichts hat die Kanzlerin so empört wie dessen Behauptung, 
"Frankreich handelt, Deutschland denkt nach." Vor allem aber: Er hat 
die EU zu einer Veranstaltung für große Jungs gemacht. Spielregeln 
kümmern ihn so wenig wie die Interessen der Kleineren. Er hat die 
Machtattitüde eines französischen Präsidenten auf die EU-Ebene 
übertragen, wo sie nichts verloren hat. Ohne Rücksprache nahm Sarkozy
Moskaus Angebot zu Gesprächen über eine neue Sicherheitsarchitektur 
an. "Dazu hatte er keinerlei Mandat", tadelt der Botschafter eines 
kleineren EU-Landes.
Die Tschechen wollen ihre Präsidentschaft dem Management der 
Wirtschaftskrise, der Energiesicherheit und den Beziehungen zu 
Osteuropa widmen. Sie beginnen freilich den Vorsitz mit der 
peinlichen Hypothek, den Lissabon-Vertrag noch immer nicht 
ratifiziert zu haben.
Über allem schwebt die "Klaus-Frage": Selbst wenn das Parlament 
ratifiziert - wird der Präsident unterschreiben? Prags EU-Offizielle 
in Brüssel können es nicht mehr hören. Sie versichern ein ums andere 
Mal: An Klaus wird der Vertrag nicht scheitern.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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