Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Die Angst der Jugend - Keine rosigen Aussichten - Leitartikel von Christopher Onkelbach
Essen (ots)
Die Jugend hat allen Grund zur Sorge. Da kübelt die Politik Milliarden in die leeren Tresore von Großbanken, verschickt pralle Rettungspakete an die Wirtschaft, hilft Automobilkonzernen und Bauunternehmen - und der junge Mensch, der gerade seine x-te Absage auf seine Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz erhält, wird sich sagen: Super! Und was habe ich davon?
Zwar werden wohl auch Ausbildungsplätze durch das Konjunkturprogramm der Bundesregierung gerettet. Doch dieses rationale Argument kommt nicht an gegen das schleichend wachsende Gefühl, seiner Zukunfts-Chancen beraubt zu werden. Dass einige Milliarden auch in den Bildungsbereich fließen, ist ein Scheinargument. Denn eine energetische Sanierung von Schulen oder eine reparierte Klimaanlage an Universitäten hat mit Bildung nichts zu tun.
Die Jugend hat allen Grund zur Sorge: Für Dreijährige fehlen Kitaplätze, an Schulen die Lehrer. Packen sie die Hochschulreife, müssen sie um einen der knappen Studienplätze kämpfen - und sitzen dann in überfüllten Hörsälen. Wer in die Wirtschaft ausweichen will, findet noch lange keinen Ausbildungsplatz. Und schaffen sie es tapfer bis zur Rente, erwartet sie eine Versorgung, die niemals das Niveau heutiger Rentner erreichen wird. Keine rosigen Aussichten.
Was den Frust der Jugend noch verstärken mag: Bis 2020 darf der Staat sich weiter verschulden, erst dann soll die "Schuldenbremse" greifen. Die Zinsen für das viele Geld, das der Staat heute ausgibt, zahlt die Jugend. Die Wirtschaftskrise trifft die junge Generation mit voller Härte. Man kann sich mit Hurrelmann tatsächlich nur wundern, dass von Rebellion nichts zu spüren ist. Eine "übergangene Generation" wird sich irgendwann zu Wort melden, und womöglich nicht besonders friedvoll.
Doch dass die Alten die Politik bestimmen und das Geld verteilen, müssen sich die Jungen zum Teil selbst vorwerfen. Eine Demokratie lebt von Mitsprache, von Interesse, von Gemeinsinn, von Mitwirkung und dem Willen, sich zu informieren. Nur so lassen sich Zusammenhänge begreifen und Entscheidungen verstehen. Doch das politische Interesse ist unter Jugendlichen so gering wie nie, das lässt sich auch an der schwachen Wahlbeteiligung ablesen.
Wer sich aber resigniert ins Private zurückzieht, darf sich nicht wundern, wenn seine Meinung übergangen wird. Politisches Desinteresse, Frustration und Zukunftsangst sind eine gefährliche Melange.
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