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WAZ: Ärzte weisen Patienten ab - Instrumentalisierung von Kranken - Leitartikel von Stefan Schulte

Essen (ots)

Der Streit zwischen Ärzten, Kassen und Politikern
ist längst dort angekommen, wo er nie hätte ankommen dürfen: im 
Behandlungszimmer. Mediziner erklären ihren Patienten, warum sie 
dieses und jenes nicht mehr bezahlt bekommen. Verständnisvoll nicken 
die Kranken und stimmen in die Klage über die unfähige Regierung ein.
Schon das ist zu viel der Instrumentalisierung, denn kein Patient 
kann die Honorierung auch nur ansatzweise verstehen, vom 
Interessengeflecht, das dahinter steckt, ganz zu schweigen. Die 
allermeisten Ärzten behandeln ihre Patienten aber wie 
selbstverständlich weiter. Wer dagegen Menschen mit Schmerzen vor die
Praxistür setzt oder Vorkasse verlangt, verstößt gegen alle 
Prinzipien seines Berufsstandes.
Kranke werden in Mithaftung genommen für einen Streit, mit dem 
sie nun wirklich nichts zu tun haben. Es ist ja nicht einmal klar, 
wer hier gegen wen kämpft. Die Politik bestimmt, wieviel Geld zur 
Verfügung steht. Die Verteilung selbst ist eine Sache zwischen Kassen
und Ärztevereinigungen. Doch diesmal geht der tiefste Riss durch die 
Ärzteschaft, durch Fach- und Hausärzte, durch Nord, Süd, Ost und 
West. Die Ärzte haben große Teile der Reform selbst gefordert und 
mitgestaltet. Die Abrechnung in Euro und Cent etwa, und die regionale
Angleichung der Honorare. Der Doktor in Mecklenburg-Vorpommern sollte
für die gleiche Untersuchung auch das gleiche Geld erhalten wie sein 
Kollege in Bayern. Doch davor standen die Lobbyisten, die aus dem 
Freistaat zumal. Deshalb ist die Abrechnung in Euro und Cent in 
manchen Regionen, allen voran am Nordrhein, bitter.
Weil auch die Leistungen der Arztgruppen neu gewichtet wurden, 
waren Neid und Proteste programmiert. Deshalb sieht sich die 
Kassenärztliche Bundesvereinigung derzeit unter Dauerbeschuss aus den
eigenen Reihen. Es feuern jene Fachärzte, die am schlechtesten 
weggekommen sind, die Orthopäden etwa, die Augen- und die Hautärzte. 
Das ist ihr gutes Recht. Nur sollten sie dabei ihre Patienten außen 
vor lassen.
Doch gilt auch für den einzelnen Arzt, dass seine Praxis nicht 
durch eine misslungene Reform in die Pleite getrieben werden darf. 
Die Verwerfungen sind größer als erwartet. Bisher werden sie von den 
Kassenärztlichen Vereinigungen aufgefangen. Das geht nicht lange gut,
und die Politik kann nicht ewig unbeteiligt spielen. Erweist sich das
- auch von der Politik gesetzte - Ziel der gleichen Bezahlung für 
gleiche Leistung als Utopie, unter der am Ende die Patienten leiden, 
muss sie die Reißleine ziehen.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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