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WAZ: Urteil zum Vertrag von Lissabon - Karlsruher Defensivgeist - Leitartikel von Knut Pries

Essen (ots)

Neue EU-Verträge müssen nach Karlsruhe, und das ist
gut so. Ob Maastricht, Amsterdam oder jetzt Lissabon - stets treten 
Beschwerdeführer auf den Plan und behaupten, nun werde das 
demokratische deutsche Staatswesen endgültig vom Moloch Brüssel 
verschluckt. Die Richter nehmen das sehr ernst, auch weil sie selbst 
zu diesem Staatswesen gehören. Und dann sagen sie: Fürchtet euch 
nicht, Deutschland ist in Europa gut aufgehoben, und im Falle eines 
Falles werden deutsche Grundrechte immer noch in Karlsruhe 
verteidigt.
So ist das Bundesverfassungsgericht, das zusammen mit dem 
Präsidenten die angesehenste Instanz der deutschen Politik darstellt,
zum Legitimationsspender für die europäische Integration geworden: 
"Das Grundgesetz sagt Ja zum Lissabon-Vertrag." So viel Deutsch 
verstehen auch die Präsidenten Kaczynski in Polen und Klaus in 
Tschechien, die mit der Unterschrift unter die Ratifikationsurkunde 
zögern. Das verstehen auch die Iren, die im Oktober erneut zur 
Volksabstimmung schreiten.
Also: Nicht Lissabon ist verfassungswidrig, sondern der deutsche 
Gesetzgeber hat es sich mit Lissabon ein bisschen zu einfach gemacht.
Das neue EU-Statut ermöglicht an einigen Stellen den Übergang zu mehr
Entscheidungsbefugnis der europäischen Ebene. Solche Verschiebungen 
dürfen nach dem Spruch des Verfassungsgerichts nicht einfach im 
normalen Geschäftsgang einer Sitzung des Ministerrats erledigt 
werden, da müssen reguläre Gesetze her. Es ist kein Schaden, dass die
Karlsruher die Berliner verdonnert haben, das Begleitgesetz 
nachzubessern. Eine stärkere Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat 
entspricht der Absicht des Lissabon-Vertrags: Ein engeres 
Zusammenspiel zwischen nationalen Parlamenten und der EU ist eines 
seiner Prinzipien. So weit, so gut, rein rechtlich gesehen.
 Als politische Botschaft ist indes auch das Karlsruher 
Überprüfungsverfahren dem Defensivgeist verfallen, der gegenwärtig 
die deutsche Europapolitik durchweht. Die vorgetragenen Argumente 
stimmen, die vermittelten Gefühle nicht. Deutschland erscheint als 
Verteidigungsgemeinschaft, die alle Kräfte gegen die mächtigen 
EU-Absaugkräfte mobilisieren muss. Die Europäische Union als Mittel 
nationaler Selbstverwirklichung kommt nicht mehr vor. Die Botschaft 
lautet: Wenn wir gut aufpassen, macht Lissabon nichts kaputt. Sie 
müsste lauten: Lissabon hilft den Deutschen, eigene Interessen besser
zu vertreten. Dafür, für eine offensive Legitimation, ist freilich 
die Politik eher zuständig als das Verfassungsgericht.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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