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WAZ: Die SPD vor der Entscheidung - Steinbrück sei Dank - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Man muss Bärbel Höhn und Peer Steinbrück dankbar
sein. Der Grünen, weil sie (gestern exklusiv in der WAZ) mit 
SPD-Politikern und Gewerkschaftern einen Aufruf für eine konsequent 
linke Politik unter Einschluss wohl auch der Linkspartei vorgelegt 
hat. Und dem SPD-Realo, weil er das Gegenteil veröffentlicht hat: ein
Bekenntnis zur Fortsetzung der Großen Koalition. Ein gleich doppelter
Richtungsstreit zeichnet sich ab. Links oder Schwarz-Gelb, lautet der
eine, der sich öffentlich abspielt. Mitte-links oder links-links, 
lautet der andere, der verborgen bleiben sollte bis nach der Wahl 
oder sich erledigen sollte für die SPD mit einem Weiter-So in der 
Großen Koalition.
Opposition sei Mist, verkündet nahezu wortgleich die 
Regierungs-SPD, also Steinmeier, Steinbrück, Struck, Müntefering. Sie
wollen weiterregieren. Sie wissen, dass dies nur in einer Großen 
Koalition möglich ist. Das aber darf kein Wahlkämpfer sagen, denn die
passende Aussage etwa des Kanzlerkandidaten würde dann lauten: 
Hiermit bewerbe ich mich für das Amt des Vizekanzlers unter der 
Kanzlerin Merkel. Welcher SPD-Sympathisant ginge dann noch wählen? Es
ist also nachvollziehbar, wenn nun viele in der SPD irritiert sind 
über Steinbrück, der in einem für ihn typischen Anfall von 
Ehrlichkeit ausrief: . . . "also geht es für die SPD darum, sich in 
dieser (Großen) Koalition wiederzufinden".
Die Regierungs-SPD hat zwei Motive. Das eine: Müsste die SPD in 
die Opposition, würden deren Repräsentanten womöglich ausgewechselt. 
Das andere: In der Opposition käme es zu einem 
"Überbietungswettbewerb" zwischen SPD und Linkspartei mit der Folge, 
dass die SPD sich nach links entwickelt. Auch dies hat Steinbrück 
dankenswerterweise offen ausgesprochen. Wie weit die SPD nach links 
driften würde, wäre offen, nur: Die Agenda-Politik, von Schröder 
begründet mit finanziellen und sozialpolitischen Notwendigkeiten, 
wäre erledigt. Und damit, so die Lesart der Realos, die SPD als 
glaubwürdige Regierungspartei.
Kaum wurden Steinbrücks Zitate öffentlich, waren die Grünen und 
die Linkspartei auf dem Markt. Wer SPD wähle, müsse nunmehr mit 
Merkel rechnen, wurde erklärt, in der Absicht, von der SPD Stimmen 
zugunsten der eigenen Parteien abzusaugen. Ein nicht einmal 
unrealistisches Kalkül. Die SPD ist in einer ausgesprochen 
unbequemen, geradezu schicksalhaften Lage, zugespitzt: Rettet sie 
sich in eine Große Koalition, wächst die Linke. Muss sie in die 
Opposition, wird sie die Linke. Das wäre schon einen großen 
Richtungsstreit wert.

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Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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