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WAZ: Schwarz-Gelb. Kuschelkoalition - auf Zeit. Leitartikel von Thomas Wels

Essen (ots)

Den Sozialdemokraten bleibt nichts er-spart. Noch
hat die Partei keinen Weg gefunden, wie sie mit den Wunden, die die 
Agenda 2010 geschlagen hat, umgehen soll, da gibt sich Schwarz-Gelb 
als Reparaturbetrieb. Die Verdreifachung des Schonvermögens für 
Hartz-IV-Empfänger ist so ein Punkt, der ans sozialdemokratische Herz
rührt: Einer, der arbeitet und fürs Alter spart, darf vom Staat nicht
so behandelt werden wie einer, der das egal aus welchen Gründen nie 
getan hat. Und jetzt sogar Nachbesserung bei der Rente mit 67.
Hartz IV und die Verschiebung des Renteneintrittsalters um zwei 
Jahre waren der Anfang vom Ende der SPD als Volkspartei. Es ist 
bittere Ironie, dass beide Reformen - das Zusammenlegen von Sozial- 
und Arbeitslosenhilfe wie die Anpassung des Rentenalters an 
abnehmende Geburtenraten und steigendes Lebensalter - im Grundsatz 
richtig waren. Schröders Agenda 2010 ist ein Gutteil des 
wirtschaftlichen Aufschwungs vor der Finanzkrise zu verdanken. 
Richtig ist aber auch: Es sind handwerkliche Fehler gemacht worden.
Einen Bauarbeiter beim Renteneintrittsalter genauso zu behandeln 
wie einen kaufmännischen Angestellten - das widerspricht nicht nur 
dem Gerechtigkeitsempfinden, sondern der politischen Klugheit. Das 
Gleiche gilt für die allzu zügige Gleichbehandlung von Arbeitnehmern,
die jahrzehntelang Beiträge bezahlt haben, und Arbeitslosen, die das 
nicht taten. Diese Punkte haben die Erosion der SPD beschleunigt. Und
sie sind auch nicht so ohne Weiteres zu beheben.
Schließlich darf das Zwangssystem der Rentenversicherung keine 
Unterschiede nach Berufsgruppen machen. Es kann aber mit einer 
besseren Ausstattung der Erwerbsminderungsrente Menschen auffangen, 
die nicht mehr können. Auch ist die Arbeitslosenversicherung keine 
Kapitalsammelstelle für ihre Mitglieder, sondern eben eine 
Versicherung. Und dennoch: Die Politik ist gefordert, hier Lösungen 
zu entwickeln, die offenkundige Ungerechtigkeiten beseitigen, ohne 
das Prinzip zu zerstören.
Gut, wenn sich Schwarz-Gelb daran wagt. Überhaupt erscheint die 
neue Bundesregierung bislang gemessen an vorurteilsreichen 
Erwartungen eher als Kuschelkoalition. Bis jetzt müssen weder DGB 
noch Attac ihre Fahnen ausrollen. Gegen die Erhöhung der 
Kinderfreibeträge und wahrscheinlich des Kindergeldes dürfte kaum 
jemand protestieren. Bleibt die Frage, wann's ans Bezahlen geht. 
Manche sagen: Nach der Wahl in NRW.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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