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WAZ: Die Partei fällt auf sich selbst zurück - Die Linke nach Lafontaines Abgang - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Oskar Lafontaine hat immer polarisiert, die letzten
30 Jahre war das so. Er wollte es nie anders, es entspricht seinem 
politischen Naturell. Links hat er Geschichte geschrieben. Er hat der
SPD gedient und er will sie zerstören. Er ist aktuell der große 
Neinsager, darin ganz anders als die andere linke Epochenfigur, 
Joschka Fischer, der die Grünen mit der Realität versöhnte. 
Versöhnung war in den vergangenen Jahren wirklich nicht Lafontaines 
Antrieb, sondern: Rache. Und der alte, sehr persönliche Impuls zu 
zeigen, dass er als einziger weiß, was richtig ist. Nun geht er, und 
diesmal ist es keine Flucht, sondern eine Kapitulation. Das 
Messer-Attentat konnte Lafontaine noch überwinden, der Krebs lässt 
ihm keine Wahl außer dem Rückzug auf Raten.
Für die Linkspartei ist das ein Schlag, vielleicht ein finaler. 
Lafontaine konnte die kulturell tiefen Gegensätze in dieser 
Partei-Neugründung mit seiner rhetorischen Gabe und seiner 
raumfüllenden Ausstrahlung noch wegschreien, aber einen Nachfolger 
gibt es nicht. Faktisch gibt es nur zwei west-östliche 
Integrationsfiguren von anerkanntem Gewicht in der Linkspartei und es
ist umstritten, wie lange Gysi diese Rolle noch spielen kann und 
möchte. Ohne Lafontaine ist vieles denkbar, bishin zu einem 
Auseinanderbrechen der Partei, die im Osten stark genug ist und 
fadenscheinige Westhilfe nicht nötig hat. Dass Regionalparteien sehr 
gut funktionieren können, zeigt die CSU.
Ohne Lafontaine ist das Gründungsprojekt einer gesamtdeutschen, 
anti-sozialdemokratischen, sozialistischen Linkspartei infrage 
gestellt. Als bloßes Sammelbecken politischer Abenteurer und 
Sektierer, ergänzt um von der SPD empörte Gewerkschafter, wird die 
Linkspartei West kaum eine Zukunft haben; schon gar nicht als 
ernsthafter Bündnispartner für eine SPD, die gar nicht anders kann 
als sich staatstragend zu definieren, um Volkspartei zu bleiben. Es 
mutet fast schon paradox an: Lafontaine war für sehr viele 
traditionelle Sozialdemokraten der größte Hinderungsgrund für ein 
Bündnis mit der Linken. Und doch macht sein Abgang eine solche 
Koalition nicht wahrscheinlicher, sondern unwahrscheinlicher, weil 
ohne Lafontaine die West-Linke zurückfällt auf das, was sie ist: Ein 
Sammelsurium.
Und die SPD? Führungslos werdenden Linken die Rückkehr anzubieten, 
ist richtig, reicht aber nicht aus. Die SPD muss über die von 
Parteichef Gabriel angestoßene Identitäts-Debatte zur Volkspartei 
zurückfinden. Den Linken hinterher zu laufen, wäre gerade jetzt der 
falsche Weg.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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