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WAZ: Zum Weltfrauentag Heidis Freakshow und der Feminismus - Leitartikel von Andreas Fettig

Essen (ots)

Es wird wieder der übliche TV-Quotenhit werden:
Junge Frauen lassen sich von Heidi Klum in den inszenierten 
Zickenkrieg hetzen - beseelt von der Hoffnung, künftig als wandelnder
Kleiderständer die Laufstege der Welt zu schmücken. Dass sich für 
dieses zweifelhafte Ziel wieder Tausende für "Germany's next 
Topmodel" beworben haben, sagt einiges über den Stand der 
Emanzipationsbewegung aus. Die Bestandsaufnahme zum Weltfrauentag 
fällt von daher zwiespältig aus. Heidis Freakshow ist die eine 
Parallelwelt. In der anderen regiert eine CDU-Kanzlerin, die in 
Sachen Gleichberechtigung ähnliche Positionen vertritt wie die 
einstigen Radikal-Emanze, Alice Schwarzer. Die Universitäten sind 
längst eine mehrheitlich weibliche Veranstaltung, sogar die 
Chefsessel von Großkonzernen sind keine Männerbastion mehr.
Alles gut also - die politischen Forderungen nach Gleichberechtigung 
scheinen erfüllt zu sein. Der radikale Emanzipationsansatz der 
70er-Jahre, der davon ausging, dass alle Frauen durch die 
herrschenden Gesellschaftsstrukturen unterdrückt werden, der hat also
ausgedient, und die Debatte hat sich verlagert: Heute geht es um den 
täglichen Praxistest der Gleichberechtigung. Dazu gehören die 
Rahmenbedingungen, die Frauen ermöglichen, ihr Recht auf einen 
individuellen Lebensentwurf umzusetzen. Und da sind Elternzeit, 
Krippenplätze oder Betriebskindergärten sehr viel wichtiger als eine 
politische Frauenbeauftragte. Da sind Personalchefs gefragt, die 
tatsächlich nach Qualifikation bewerten, da ist der Lebenspartner 
gefragt, der Wäsche bügelt und sich um die Kinder kümmert - und da 
sind vor allen Dingen die Frauen selbst gefragt.
Das gesellschaftliche Umfeld hat sich zu Gunsten der Frau verändert: 
Rollenklischees à la KinderKircheKüche haben ausgedient - die Frauen 
von heute haben die Wahl, wie sie ihr Leben gestalten. Sie haben 
sogar die Wahl, sich selbst für dumm zu verkaufen. Und da sind wir 
wieder bei Heidi Klum und dem Großtrend, mit Oberweite und 
Schmollmund Karriere machen zu wollen. All die Veronas, Sonyas, 
Lillys, Gülcans, verkünden vordergründig: Wir bekennen uns zu unserer
weiblichen Seite und zu unserem Körper - und das als bewusste Abkehr 
von den eher spröden Protagonistinnen der politischen Emanzipation. 
Tatsächlich repräsentieren sie das archaische Vermarktungsmodell 
namens Sex sells - an dem viele Kerle und Heidi Klum verdienen. Die 
mag eine gute Verkäuferin in eigener Sache sein. Als Vorbild taugen 
aber weder die Zynikerin noch ihre Zicken. Die Parole moderner Frauen
muss heute heißen: Ihr könnt alles schaffen - aber Ihr müsst Euch 
trauen und dafür kämpfen! Und dazu braucht es in erster Linie Bildung
und Intelligenz und nicht Körbchengröße 100 DD.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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