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WAZ: Stuttgart21 oder wie Protest wirkt - Der laute Kampf der Minderheiten - Kommentar von Dietmar Seher

Essen (ots)

Warum wollen die Stuttgarter keinen neuen Bahnhof? Wegen der Fledermäuse, die im alten Gemäuer zu schützen sind. Wegen der Mineralquellen, die im Untergrund der Schwabenmetropole durch Rammarbeiten bedroht sein könnten. Wegen 300 alter Bäume, die wohl fallen. Ja, und da sind - zweifellos - die Milliarden-Kosten. Der Mix aus Interessen ist kunterbunt. Der rote Faden beim spektakulären Aufstand Südwest fehlt. Der einzige gemeinsame Nenner: Man ist dagegen, weil "die da oben" Stuttgart21 wollen. Und ähnlich wie die schwäbischen Rebellen denken Bauern in Garmisch beim Nein zur Olympia-Bewerbung 2018 und die Fehmarner, die Eier auf ihren Ministerpräsidenten werfen, weil der sich für die große Sundbrücke einsetzt. Die Politik macht in Deutschland eine neue Erfahrung. Während Profis wie von Beust, Köhler und Koch ihr Engagement an den Nagel hängen, übernehmen Ärzte, Kaufleute, Anwälte oder Schauspieler aus der bürgerlichen Mitte die Regie in wichtigen Zukunftsplanungen des Landes. Sie organisieren Unterschriften, eignen sich Fachkenntnisse an, erregen öffentlich Aufsehen und kippen legitim gefällte Entscheidungen. Volksentscheide sind ihr Kampfinstrument. In Bayern und Hamburg änderten sie so schon Kernelemente der Landespolitik. Mag das alles auch die Reaktion der Bürger auf Fehler von Parteien und Eierköpfen sein. Auf Arroganz, Blindheit, Schönrechnereien. Doch die neuen Volkshelden, die sich auf die Barrikaden stellen, sind nicht per se Garanten für eine gute Zukunft. Zu oft ist ihr Credo das pure Nein. Zu oft kann der Protest zum gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Stillstand führen. Und bringt der "bürgerliche Aufstand" die demokratischeren Entscheidungen? Stuttgart hat 500 000 Einwohner. 15 000 demonstrieren. Noch ist das nur eine laute Minderheit.

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