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WAZ: Rechnung ohne den Wirt gemacht. Kommentar von Thomas Wels
Essen (ots)
Angela Merkel ist der Beifall im Volke sicher. Das Aussetzen der Laufzeitverlängerung für die heimischen Atomkraftwerke ist auch mehr als ein politisches Placebo. Immerhin dürfte das Moratorium zum Abschalten von zwei, drei Meilern führen, das Wiederanlaufen zwei weiterer AKW verhindern und somit harte ökonomische Folgen nach sich ziehen. Dass davon einer, Neckarwestheim, in Baden-Württemberg steht, ist für den wahlkämpfenden CDU-Mann Mappus sicherlich zu verschmerzen.
Die große Frage ist, ob die jetzt zur Schau getragene Handlungsfähigkeit tatsächlich zu einem früheren Ausstieg führt. Denn bisher hat die Bundesregierung die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ein schnellerer Ausbau der Erneuerbaren heißt: Es muss deutlich mehr Geld in den Ausbau der Stromnetze fließen, sonst kommt die Windenergie nicht von der Küste in die Mitte und den Süden Deutschlands; es müssen Milliarden in die Erforschung der Speichertechnologien fließen; und es muss eine schlüssige Antwort darauf geben, welche Art Kraftwerke die 22 Prozent Kernenergie-Anteil an der deutschen Erzeugung ersetzen sollen. Schließlich kann die Industrie nicht auf Wind und Sonne hoffen, sondern muss eine stabile Rund-um-die-Uhr-Versorgung erhalten. Bislang ist das die Domäne der Braunkohle- und Steinkohleverstromer. Da die aber ab 2013 ihre Rechte zum Ausstoß von Kohlendioxid teuer bezahlen müssen, treibt auch das die Preise.
Kurzum: Wenn die Bundesregierung in Reaktion auf den Atomschock in Japan ihr international ohnehin schon äußerst ambitioniertes Energiekonzept zu Lasten der AKW und zu Gunsten der Erneuerbaren ändert, verteuert das die deutsche Stromrechnung um zig Milliarden Euro. Darüber wird zu reden sein. In drei Monaten.
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