Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Keine Angst vor den Polen. Leitartikel von Sabine Brendel
Essen (ots)
Ab dem 1. Mai können Menschen aus acht osteuropäischen EU-Staaten in Deutschland einen Job suchen - ohne Arbeitserlaubnis. Da kommen hierzulande Stammtisch-Ängste hoch. Zum Beispiel diese: Jetzt strömen Millionen aus diesen Ländern zu uns und nehmen uns Arbeitsplätze weg. Solche Ängste sind aber unbegründet.
Der Hintergrund: Die Bundesrepublik hatte 2004 nach dem Beitritt osteuropäischer Länder zur Europäischen Union beschlossen, ihren Arbeitsmarkt so lang wie möglich - während sieben Jahren - gegen die neuen EU-Bürger abzuschotten. Jetzt ist diese Übergangsperiode vorbei. Die neue Freizügigkeit gilt für Polen, Ungarn, Tschechen, Slowaken, Slowenen, Esten, Letten und Litauer.
Zahlen zeigen, dass Sorgen vor einem Ansturm osteuropäischer Arbeitswilliger unbegründet sind. Denn neben Deutschland hielt nur Österreich die Hürden so lange aufrecht. Die meisten anderen Länder waren nicht so ängstlich. Voriges Jahr lebten in Westeuropa 2,3 Millionen Menschen aus dem Osten der EU - ihr Bevölkerungsanteil wuchs gegenüber 2004 damit nur von 0,3 auf 0,6 Prozent. Ein Ansturm sieht anders aus.
Und noch etwas zeigt, dass Deutschland keine Angst haben muss. In den Vorjahren kamen die meisten Arbeitswilligen aus Polen, Litauen und der Slowakei. Sie gingen vor allem nach Irland, Großbritannien und - Deutschland. Deutschland? Ja, denn selbst die sich abschottende Bundesrepublik senkte ab 2004 zumindest schrittweise Arbeitsmarkt-Hürden. Seither machten aber nicht Polen der deutschen Wirtschaft zu schaffen, sondern Banken und die Weltfinanzkrise.
Zudem sind die meisten Menschen nicht wirklich mobil, schon gar nicht über Grenzen hinweg. Viele hängen an ihrer Region, ihrem Freundeskreis, kurz: ihrem vertrauten Umfeld. Außerdem ist Deutsch - anders als Englisch - keine Sprache, die jeder in Europa bereits in der Schule lernt. Auch das wird viele Osteuropäer abschrecken, sich hierzulande nach einer Arbeit umzusehen.
Deutsche Unternehmen dürften das alles schade finden: Sie suchen mehr Fachkräfte, als Deutschland zu bieten hat. Einigen Firmen entgehen daher Geschäftschancen, schlicht wegen Personalmangels.
Fazit: Was seit sieben Jahren normal ist in Europa, Deutschland holt es endlich nach. Keine Angst davor! Der Ansturm aus dem Osten wird ausbleiben.
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