Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Hollande zündelt am Pulverfass. Kommentar von Thomas Wels
Essen (ots)
Man könnte es sich leicht machen und die ebenso prompte wie harsche Reaktion des französischen Präsidentschaftskandidaten Hollande auf eine Interview-Äußerung von Kanzlerin Merkel als Wahlkampfgetöse abtun. Es geht aber um weit mehr als um Wählerstimmen, wenn der wichtigste Partner Deutschlands womöglich den mühsam errungenen Fiskalpakt infrage stellt und mithin den eigenen Sparwillen.
Ganz so, als gäbe es die Schuldenkrise der Euro-Staaten nicht. Hollande zündelt am Pulverfass. Gewiss, acht Regierungen hat die Schuldenkrise und der folgende Sparkurs bereits dahingerafft. Gleichwohl darf man schon erwarten, dass eine einmal getroffene Vereinbarung gilt. Zumal das Versprechen, neue Schulden auf ein Minimum zu begrenzen, nichts weniger ist als der Versuch, den Euro zu retten. Bisher hat die Gemeinschaft die Schuldenkrise mit neuen Schulden bekämpft. Diese Methode hat nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank funktioniert, ist jetzt aber längst überholt.
Euroland hat enorm an Vertrauen verloren. Der Bruch des Stabilitätspakts, weiland von Deutschlands Schröder und Frankreichs Chirac vollzogen, haben dem Fundament der gemeinsamen Währung ernste Risse zugefügt. Genau die soll der Fiskalpakt kitten. Sollte das nicht glaubhaft gelingen, woran wegen vieler Schlupflöcher auch ohne den Sozialisten Hollande Zweifel erlaubt sind, ist ein Auseinanderbrechen der Eurozone kaum zu verhindern. Richtig ist aber auch, dass die Euro-Länder sich mehr ums Wachstum kümmern müssen. Es kann aber nicht sein, dass ein Wachstumspakt mit Schulden finanzierten Konjunkturprogrammen den Fiskalpakt aushebelt. Vielmehr müssen dazu die Euroländer ihre Sozialsysteme und den Arbeitsmarkt reformieren. Deutschland hat's vorgemacht.
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